Literatur

Mein Appetit-Lexikon

von Kurt Bracharz


350 Seiten
©2010 HAYMON Verlag Innsbruck-Wien
www.haymonverlag.at
ISBN 978-3-85218-633-7



Ich kenne kein Buch wie dieses ... was im Prinzip schon die Einleitung zu einem netten Fazit sein könnte. Bevor es aber dazu kommt, möchte ich doch noch ein paar Worte zu diesem Lexikon der ganz besonderen Art verlieren. Bereits das Cover lässt unschwer vermuten, dass es sich womöglich nicht um ein Nachschlagewerk der trockenen bzw. allzu ernsten Art handeln könnte. Diese Einschätzung wird bereits im Vorwort bestätigt. Ebenso erfahren wir, dass es sich bei den alphabetisch sortierten Texten allesamt um "kulinarische Kolumnen" handelt, die Kurt Bracharz in den Jahren 1995 - 2008 für die Tageszeitung "Vorarlberger Nachrichten" geschrieben hat. Insgesamt erweitert die Kombination aus sachlichen Informationen, nutzbringenden Fakten und schrägen Auswüchsen unseren Horizont rund um das Thema Kochen, Essen und Genießen nicht unwesentlich ...

... wobei man schon offen sein muss für die eine oder andere Belehrung sowie die Bereitschaft besitzen sollte, sich von tiefverwurzeltem Halbwissen zu verabschieden. Ich persönlich gerate da schnell an meine Grenzen, denn ich habe z.B. meinen Salat sehr gerne auf dem gleichen Teller liegen wie die Hauptspeise. Nun erfahre ich, dass, zumindest in der italienischen Küche, ein Salat grundsätzlich eine Vorspeise ist und dass dieser sogar auf dem Tisch gar nichts mehr zu suchen hat, sobald Fleisch oder Fisch diesen zieren. Gleichwohl sei damit der Kartoffelsalat zur Bratwurst aber nicht gemeint. Das zumindest erfüllt mich mit großer Erleichterung, auch wenn ich auf "sinnlose Salathaufen" neben meiner Hauptspeise nicht gänzlich verzichten mag.

Umdenken muss ich dennoch bei anderen Salat(an)gewohnheiten, die tatsächlich dumme sind. Zwar stehen uns, je nach Jahreszeit, diverse Salatsorten frisch zur Verfügung, doch selbst wenn man sich den Luxus von zwei selbstbewirtschafteten Gemüsegärten leistet, wird man mitunter etwas faul. Genau diesem Umstand haben wir es zu verdanken, dass ich größere Aufbewahrungsboxen anschaffte, um jeweils eine größere Menge Salate plus Zutaten wie Zwiebeln, Radieschen, Winterheckenzwiebel, Schnittlauch, Petersilie usw. greifbar zu haben. Am besten gleich für zwei bis drei Tage, was die Zubereitung der täglichen Mahlzeiten nicht ganz unwesentlich vereinfacht. Nun ist mir aber das Wissen um Mikroorganismen, mit welchen Salat und Gemüse bekanntlich von Haus aus gesegnet sind, sowie die rasante Vermehrung von Fäulniskeimen irgendwie abhandengekommen. Dahingehend lasse ich mich gerne belehren und stelle jetzt umgehend wieder auf Frischverzehr um. Nützlicher Nebeneffekt ist das Mehr an Bewegung, welches durch den nunmehr alltäglichen Fußmarsch in die Ländereien entsteht. Neben dem Zugewinn an Bildung bietet "Mein Appetit-Lexikon" seiner potentiellen Leserschaft somit zusätzlich einen wertvollen Betrag zur Gesundheit und Fitness .

Einige Bemerkungen in Sachen Tomaten kann ich mir nicht verkneifen. Dass es sehr viele Sorten gibt, war mir selbstverständlich bekannt, dass es sich aber um 10.000 handeln soll, eher nicht. Ebenfalls nicht bekannt war mir, dass es sich bei Tomaten um "anspruchslose" Gewächse handelt, die auch auf dem Balkon heranwachsen, wenn sie nur "die benötigten sechs Stunden Sonneneinstrahlung am Tag bekommen". Tomaten sind aber meines Wissens ausgesprochene Starkzehrer und gedeihen nur durch entsprechende Düngerzugaben, was in unserem Fall mit einer Kombination aus "Kunstdünger" und einer altmodischen Beigabe von Brennesseljauche geschieht. Im Topf wachsen Tomaten auch sehr gerne, aber hier darf es dann 100% Komposterde sein sowie ganztägige Sonneneinstrahlung, sonst tut sich hier wenig bis gar nichts.

Es gäbe wahrlich noch viel zu berichten über die "Glückssache Trüffel" und über die 5400 Euro, die für ein Kilogramm weiße Alba-Trüffeln bezahlt werden müssen. Oder über das Bergdorf Mund im Schweizer Kanton Wallis, wo 1998 auf 13.832,90 qm (andere Quellen sprechen von 2500 qm) Anbaufläche insgesamt 4 kg Safran geerntet wurden - eine gigantische Menge, wenn man bedenkt, dass für ein Kilogramm Safran etwa 150.000 - 200.000 Blüten benötigt werden. Interessant zu erwähnen wäre noch die Beantwortung der Preisfrage, was Direktor Paul Wallbaum, Mieze Schindler und Lambada gemeinsam haben könnten, was wiederum im direkten Zusammenhang mit einer recht bekannten Sammelnussfrucht steht.

In Erfahrung bringen können wir auch, warum es klüger ist, den Craterellus cornucopioides als Herbsttrompete zu benennen, weshalb man zur Zubereitung von Haifischflossen gut eine Woche Zeit benötigen kann und besser die Finger davon lässt, sollte man kein erfahrener chinesischer Koch sein, wie man sechs köstliche Orangensalate zubereitet, welchen Sturm ein Sauser auslösen kann, weshalb man Zucchini nicht unbedingt im eigenen Garten anbauen muss, was anno 1945 in Lena Brückners durchgebrochener Papiertasche geschah, warum Quallensalat hierzulande zwar als Kuriosität gilt, dennoch aber ganz hervorragend schmecken soll und für welche Eier der Autor meilenweit laufen würde ...

Eine kurzweilige Nachhilfestunde erhalten wir auch in Sachen Krabben, welche schier in einer Flut von Begriffsverwirrungen ertrinken. Ein Langostino ist nämlich keine Languste, eine Seespinne keine Spinne, eine Nordseekrabbe keine Krabbe und Scampi sind keine Shrimps. ...
 
"Mein Appetit-Lexikon" stellt nicht nur eine erfrischend unkonventionelle Lektüre für zwischendurch dar, sondern definiert sich vielmehr als sehr anregendes und kreatives Nachschlagewerk, welches eine willkommene Abwechslung zwischen den Hauptgängen unserer manchmal doch recht eingefahrenen Lesegewohnheiten darstellt. Kurt Bracharz legt als Gastrosoph und Gastrokritiker in seinem ganz persönlichen Appetit-Lexikon großen Wert auf beste Unterhaltung und gehaltvolle Textgestaltung auf engstem Raum, entsagt aber gleichwohl dem Anspruch auf Vollständigkeit. Das ist gut so, denn somit begegnet dem Leser in dieser Sammlung nicht der Hauch einer Spur von Langeweile. Selten bin ich derart geistreich informiert worden ...

... auch wenn ich in Sachen Salat wohl ein Banause bleiben werde.

 

Thomas Lawall - Juli 2010

 

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