Literatur

Maud Martha

von Gwendolyn Brooks


156 Seiten
© der Originalausgabe The Estate of Gwendolyn Brooks, 1953
© der deutschsprachigen Ausgabe 2023 by Manesse Verlag, München
www.penguin-verlag.de
ISBN 978-3-328-11224-2



Es beginnt mit dieser "gemalten Musik", und schon sind Leserinnen und Leser verzaubert und tauchen in eine Geschichte ein, die das Gewöhnliche in einem anderem Licht erscheinen lässt. Zunächst ist es die Welt eines Kindes, welches die schlichte Schönheit des Löwenzahns liebt.

"Gelbe Alltagsedelsteine, mit denen das geflickte grüne Kleid ihres Hinterhofs verziert war."

Wir, die wir den gemeinen Löwenzahn fortan mit völlig anderen Augen sehen werden, lernen die 7jährige Maud Martha kennen, die in den 20er Jahren in Chicago aufwuchs, und deren Lebensgeschichte hier erzählt wird. Gwendolyn Brooks (1917-2000), die für ihren Lyrikband "Annie Allen" 1950 als erste Schwarze Autorin den Pulitzer-Preis erhielt, gestaltete ihren einzigen Roman in mehr oder weniger kurzen Kapiteln, die man als in sich geschlossene Momentaufnahmen definieren könnte.

Momente eines Lebens, die ihren eigenen Weg und die ihres Umfelds reflektieren und die sie als literarisches Konzentrat gestaltet und verewigt hat. Stationen eines bewusst erlebten Alltags, der durch die genaue Beobachtung an Intensität und Bedeutung gewinnt, dem aber der leider unvermeidliche Rassismus mehr und mehr und immer wieder einen Strich durch alle Lebensplanungen und -erwartungen macht.

Die einzelnen Episoden skizzieren beispielsweise einen Konzertbesuch, den Aufenthalt in einem Kosmetiksalon, Werbung von Verehrern, Leben und Personen der Mitbewohner oder einer verschonten Maus, mit der sie sprach und die sie, in der "Kitchenette-Wohnung" ihrer Eltern, aus einer Lebendfalle befreite:

"Geh heim zu deinen Kindern ... zu deiner Frau oder deinem Mann."

Die Beziehung zu ihrem Mann Paul flacht ab, wobei Gwendolyn Brooks (auch hier) nur wenige Worte benötigte, um das Lebensdrama aus der sich durch den grauen Alltag abnutzenden, der am Anfang so himmelhochjauchzenden, Gefühle schonungslos darzustellen:

"Sein Darling wurde immer dunkler!"

Gwendolyn Brooks konnte mit Worten Bilder malen, wobei sie hierfür keineswegs komplizierte Formulierungsorgien benötigte, sondern vielmehr in einer vermeintlich vereinfachten Wortwahl die damaligen Lebensumstände, die auch ihre eigenen waren, in einer ungeschönten, nicht selten erschütternden Klarheit zu schildern.

Erstaunlich, dass sie das ohne Anklagen tat, als wäre sie eine Art neutrale Beobachterin gewesen und die Situation Schwarzer Menschen im Alltag, wie eine seltsame Art von Selbstverständlichkeit, einfach dazugehörte.

Ihre gemäßigte Art sollte sich allerdings ändern, was uns Daniel Schreiber in seinem Nachwort zu berichten weiß. Eine editorische Notiz klärt am Ende kurz über die Verwendung nicht mehr gebräuchlicher Begriffe auf und vervollständigt damit das Werk.

"Maud Martha" erzählt ein kleines Leben in großen Bildern. Der Rezensent vergibt in diesem Zusammenhang gerne das (seltene) Prädikat: Pflichtlektüre.

 

Thomas Lawall - Juni 2025

 

 

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