Letzter Tropfen Ein Altaussee-Krimi
von Herbert Dutzler
400 Seiten © Haymon Krimi, Innsbruck Wien 2023 www.haymonverlag.at ISBN 978-3-7099-7945-7
Wie die Zeit vergeht. Herbert Dutzlers neuester Streich ist schon der zehnte in Sachen Franz Gasperlmaier. Vier Bände der Reihe hat der Rezensent verpasst, dennoch ein Grund für ihn, nun etwas zu feiern: Die 100ste Rezension für seinen Lieblingsverlag!
Dass ausgerechnet ein Dutzler das Jubiläum ziert, ist eine besondere Freude. Der sprachliche Duktus hat sich in all den Jahren kaum verändert, denn es bleibt bei dem spektakulär unspektakulären Ausdruck und seiner Erzählform, die auf Über- und Unterbelichtungen, Ecken, Kanten und sonstige literarischen Stolpersteine vollständig verzichten kann. Mehr braucht es einfach nicht, was nicht heißt, dass es nicht viel zu erzählen gäbe. Erstaunlich zudem, dass diese pure und ungekünstelte Art des Erzählens (immer noch) nicht einmal Spurenelemente von Langeweile aufkommen lässt.
Geht auch schlecht, denn dazu ist einfach zu viel los. Das beginnt schon mit den fortschreitenden privaten Entwicklungen des Ausseer Polizisten. Die Familie zusammenzuhalten ist wahrlich nicht einfach, denn Sohn Christoph wohnt samt Ehefrau Richelle und Enkel Theo in Vancouver. Jetzt sind sie zu Besuch und ein weiterer Höhepunkt steht zeitgleich auf dem Programm.
Tochter Katharina wird demnächst ihre Freundin Stefanie heiraten und man verabredet sich zu einem gemeinsamen Abendessen, wozu auch und besonders die künftigen Schwiegereltern eingeladen sind. Während Gasperlmaier sich mit der neuen Situation einigermaßen angefreundet hat, gibt es bei Stefanies Eltern noch eine ganze Reihe von Ressentiments gegenüber einer solchen Verbindung.
Den großen Veränderungen stehen viele Kleinigkeiten gegenüber, die sich gar nicht verändert haben. Wenn es beispielsweise um Gasperlmaiers Frau geht, ist stets die Rede von "der" oder "seiner Christine". Umgekehrt klingt es ebenfalls sonderlich, wenn Christine ihren Mann in der wörtlichen Rede mit "Gasperlmaier" anspricht. Wenn sie dagegen seinen Vornamen Franz benutzt, wird es heftig. Doch dies kommt nur in den "allerernstesten Situationen" vor. Auch etwas Sprachpflege tut mit einer altmodischen Präposition wie "eingedenk" richtig gut.
Ja sicher, einen Fall gibt es natürlich auch, und jener wird ebenso unmittelbar wie überraschend mit den privaten Entwicklungen verwoben. Jener Übergang soll hier aber nicht weiter ausgeführt werden, da ja heutzutage an jeder Ecke die Spoilerpolizei lauert. Andererseits soll der potentiellen Leserschaft doch entweder eine Lesewarnung oder eine Empfehlung vermittelt werden, was in diesem Fall eine ausdrückliche ist. Und eine Handvoll Fakten sollten dann doch erlaubt sein.
Die Idylle in Altaussee wird gleich mehrfach empfindlich gestört. Am See soll mit großem Aufwand eine Folge der Casting-Show "Top Model of the Year" des Senders "FiveLive" gedreht werden. Am Rande der Dreharbeiten wird die Leiche des Set-Fotografen "Holger Hasselfeld" gefunden, was die ohnehin angespannte Lage weiter verkompliziert. Doch das ist nur der Anfang ...
Was unverändert bleibt, ist die schon erwähnte, manchmal etwas zu sachlich und trockene Erzählweise, die (mindestens) ein Geheimnis hat, denn es sind die Inhalte, die zählen! Hierzu gehört auch ein mitunter sehr unterschwelliger Humor, der gerne Verstecken spielt, wie beispielsweise im Nachnamen des Fotografen, oder ein solcher, der die Grenzen des Amtsdeutschen streift.
Am Ende spitzt sich die allgemeine Lage dramatisch zu, was dem Gasperlmaier zunehmend am Geduldsfaden zerrt. Ihm, der doch eher die Beschaulichkeit liebt, entsteht vor dem zwangsläufigen Finale dann auch ein, für ihn, hochdramatischer Gedankengang: "Jetzt, so dachte Gasperlmaier bei sich, wurde es spannend."
Wie gut, dass es Anzeichen gibt, welche weitere Fortsetzungen dieser stets in vornehmer Zurückhaltung formulierten Krimireihe indirekt versprechen. Da wäre zum Beispiel jene Frau Dr. Kohlross vom Bezirkspolizeikommando Liezen, die immer noch nicht verraten möchte, wer der Vater ihrer Tochter Sophie ist.
Derart weltbewegenden Erwägungen sowie einer ganz neuen Entwicklung, stehen das weite Feld und die unbeschriebenen Blätter der Zukunft gegenüber, und immerhin sind es bis zur wohlverdienten Pensionierung Gasperlmaiers noch zehn Jahre. Da kann noch viel passieren ...
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