Letzter Jodler
von Herbert Dutzler
398 Seiten © Haymon Taschenbuch, Innsbruck-Wien 2020 www.haymonverlag.at ISBN 978-3-7099-7915-0
"So hatte Gasperlmaier sich das nicht vorgestellt" - um in einer Rezension zur Abwechslung mal den ersten Satz eines Buches zu zitieren. Sein gesamtes Lebenskonzept ist aus den Fugen geraten, denn eine menschliche Katastrophe biblischen Ausmaßes ist über ihn hereingebrochen. Seine Christine ist weg ...
... und zwar "weit, weit weg". Vor elf Tagen bereits ist sie zu einer Weltreise aufgebrochen. Zuerst geht es nach Kanada, den gemeinsamen Sohn Christoph besuchen, und dann mit Freundin Brigitte nach Australien und Japan. Den heimatverbundenen Kommandant des Polizeipostens in Altaussee schockieren nicht nur die Entfernungen, sondern auch die Dauer der Reise.
Acht Monate, die laut Christine "rasend schnell vorbei gehen werden", sind für ihn, nicht nur im Zusammenhang mit einem Aufenthalt im Ausland, eine unvorstellbare Größe. Zu allem Überfluss kommen jedoch weitere Komplikationen hinzu. Tochter Katharina übernimmt jetzt die Rolle am heimischen Herd. Leider ist sie der veganen Küche verfallen. Zudem will sie ihrem Vater beibringen, wie man skypt!
Fast ist es schon ein Glück, wenn etwas Abwechslung den schnöden Alltag ziert. So geht es beispielsweise auch der Frau Doktor Wurm. Die Gerichtsmedizinerin begrüßt es ausdrücklich, sonntags zu einem Mord in der Nähe der Weißenbachalmhütte gerufen zu werden. "Mir war eh fad."
Und einigen anderen Herrschaften ebenfalls. Streit entfacht sich wegen unterschiedlicher musikalischer Auffassungen. Beim alljährlichen Pfeifertag auf der Weißenbachalm ist traditionelle Volksmusik angesagt. Dem gegenüber musiziert eine Kapelle namens "Kainischer Hasenjäger" elektrisch verstärkt und mit leicht unzüchtigem Vokabular unterlegt. Bei verbalen Auseinandersetzungen bleibt es nicht.
Aber auch andere Mordmotive tun sich auf. Eifersucht ist doch immer wieder ein beliebtes Thema und konzentriert sich in diesem Fall zunächst auf die Sängerin der besagten Truppe, der feschen "Gitti aus Goisern", die dem ermordeten Bandleader sehr nahe stand. Selbiger war verheiratet, sah sich aber auch an anderer Stelle nicht zur bedingungslosen Treue verpflichtet.
Doch dies ist erst der Anfang einer Verkettung von beziehungstechnischen Komplikationen, die der Autor sachlich nüchtern, jedoch stets mit einem Augenzwinkern zu erzählen weiß. Wie immer kommt es ihm vor allem auf die leisen Zwischentöne und die kunstvolle Interpretation und Umsetzung nonverbaler Kommunikation an.
Einzigartig ist und bleibt seine Figur des Altausseer Polizisten Franz Gasperlmaier, der es gar nicht so hat mit der "uferlosen Rederei", mit Waschmaschinen und der komplizierten Befüllung derselben oder mit Jugendlichen, die mit deutschen Schimpfwörtern österreichische Polizisten beleidigen wollen. Deutsche Fernsehserien haben schlechten Einfluss.
Gasperlmaiers angeborene Scharfsinnigkeit ist erst auf den zweiten oder dritten Blick erkennbar. Zu groß ist der Einfluss komplizierter Fälle und die privaten Befindlichkeiten der an der Lösung beteiligten Personen, sowie ein unerhörtes privates Ereignis. Nicht nur deswegen wird der achte Band der Reihe nicht der letzte sein ...
Die trockene Bodenständigkeit der Gesamtsituation kann niemand besser und glaubwürdiger zu Papier bringen wie Herbert Dutzler. Man sollte es sich bei der Lektüre des Buches so richtig gemütlich machen. Nebenbei sollte eine zünftige Brotzeit und (mindestens) ein ebenso kühles wie frisch gezapftes Bier serviert werden.
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