Leichen, die auf Kühe starren
von Tatjana Kruse
288 Seiten © Haymon Taschenbuch, Innsbruck-Wien 2020 www.haymonverlag.at ISBN 978-3-7099-7922-8
Echte Kerle sind keine Hinterseer-Fans, behaupten böse Zungen. Deshalb stehen die fünf Freunde Manni, Rudi, Beppi, Karl-Heinz und "Nicht-der-Hinterseer" vor einem Dilemma. Denn wie sollen sie ihrer Leidenschaft frönen, ohne sich permanent Hohn und Spott der Kollegen, Freunde, Bekannten und sogar der engeren Verwandtschaft auszusetzen?
Selbst Mütter und Ehefrauen des "Geheimbundes" wissen nichts von der Leidenschaft ihrer Lieben. Derartige Vorlieben im gegebenen Rahmen in die Praxis umzusetzen, erfordert jedoch eine unkonventionelle Logistik und eine gewisse Kreativität in der weiteren Ausführung.
Ganz andere Probleme tun sich in einem Kitzbüheler Museum auf, denn eine vermeintliche Halloween-Deko, gefunden in einer "Kassa mit Kassettendeckelschloss" aus dem 17. Jahrhundert, sorgt für Aufsehen. Doch damit nicht genug, denn international organisierte Verbrecherbanden auf der einen, und ein übereifriges Zimmermädchen auf der anderen Seite, erweitern das sich anbahnende Chaos um weitere Eskalationsstufen.
Unfassbar, was Tatjana Kruse an skurrilen Einfällen in die Geschichte um eine Mordserie der unappetitlichen Art bietet. Um ihre überaus schräge Bilderflut in Szene setzen zu können, setzt es eine hohe Sprachkenntnis voraus. Die Schatztruhe der deutschen Sprache zeigt sich jedoch wenig ausreichend, ja gar unfähig, ihre ausufernde Phantasie in das Korsett einer Romanform zu zwängen. Jedenfalls so, wie sich das gehört.
Für die "Königin der Krimödie" aber kein Problem, denn wo es an formulierungstechnischen Zutaten fehlt, und auch der Duden nicht mehr weiter weiß, entwickelt sie einfach neue Ausdrucksmöglichkeiten. Was an Worten fehlt, wird einfach erfunden. Hierbei entstehen dann so überaus brillante Wortkreationenen wie "fischgebissig", "gebackpackt", "gänsefedern" oder "unbeburkat", bis hin zu Begriffen, die völlig neue Wege gehen, indem sie uns beispielsweise einen Menschen vorstellen, der "karl-heinzisch" ist.
"Leichen, die auf Kühe starren" besitzt auch einen recht hohen allgemeinbildenden Wert. Wer kennt sie schon, die vier furchteinflößendsten Worte der deutschen Sprache? Überraschende Erkenntnisse ergeben sich auch, indem sie die Märchen, die sich um die angeblichen Vorteile einer Vielehe ranken, zu relativieren weiß. Mann stellt sich das mitunter lustig vor. Ist es aber nicht ...
Tatjana Kruses aktueller Roman allerdings schon. Heilig ist ihr nichts, wenn man von der artgerechten Haltung von Schnappschildkröten einmal absieht. Somit begibt man sich nicht nur auf ein herrlich schräges Krimiabenteuer, sondern auch auf eine Fortbildung in Sachen Wortschatzerweiterung.
Herrlich tatjanisch und einfach krusig.
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