Literatur

Lass mich los

von Jane Corry


576 Seiten
Deutsche Erstausgabe 12/2017
© 2016 by Jane Corry
© der deutschsprachigen Ausgabe 2017
by Diana Verlag, München
www.diana-verlag.de
ISBN 978-3-453-35938-3



Der Gefangene hat einen Fehler gemacht. Diesen korrigiert er jetzt. Er hat seine Anwältin mit ihrem Mädchennamen angesprochen. Statt Miss Hall muss es jetzt natürlich Mrs. Macdonald heißen. Zudem gibt Joe Thomas seiner Hoffnung Ausdruck, sie habe schöne Flitterwochen verbracht.

Lily Macdonald fragt sich auf der Rückfahrt vom Gefängnis, wie der zu lebenslanger Haft Verurteilte ihre persönlichen Daten in Erfahrung gebracht haben könnte. Ihr erster Mandant, nach ihrer Versetzung ins Strafrecht, hat es in sich. Obwohl ihm zweifelsfrei der Mord an seiner Freundin nachgewiesen werden konnte, möchte er mit Lilys Hilfe Rechtsbeschwerde einlegen, um damit eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen.

Zunächst möchte Joe Thomas aber die Eignung seines Rechtsbeistandes testen, indem er ihr Rätsel vorlegt. Seine Beschwerde ist ihm sehr wichtig und deshalb seien diese Tests unvermeidbar. Schließlich muss er sich hundertprozentig sicher sein, dass seine Anwältin dieser Aufgabe gewachsen ist ...

Und hier fangen die Kritikpunkte schon an. Keine Anwältin der Welt würde sich wohl auf ein solches Spielchen einlassen. Dieses Szenario ist unglaubwürdig, soll aber wahrscheinlich die ersten Beweise für die Bezeichnung "Psychothriller" liefern. In keinem Moment wird dies aber erreicht, denn dafür schreibt Jane Corry mit viel zu leichter Feder. Wer Spannung "light" mag, ist hier aber genau richtig.

Aktuelle Eheprobleme der Hauptdarstellerin Lily, der Tod ihres Bruders, für welchen sie sich verantwortlich fühlt, alberne Eifersüchteleien bezüglich der Ex-Freundin ihres Mannes, Unsicherheiten im Beruf, der Blick auf andere Männer, sexuelle Phantasien, wobei das Thema Schuldgefühle auf gar keinen Fall fehlen darf, machen sehr bald deutlich, dass es sich in diesem Fall eher um ein Familiendrama handelt.

Jane Corry schreckt nicht davor zurück, dieses gründlich auszuwalzen und in die Länge zu ziehen. Den Glaubwürdigkeitsfaktor erhöht dies nicht unbedingt, insbesondere wenn die junge Anwältin private Dinge mit Lebenslauf und Verhalten ihres Mandanten verknüpft. Mit ihrem Hang zu naivem Knatsch und Tratsch wäre sie wohl eher im Berufsfeld einer Verkäuferin vorstellbar.

Kitschig wirken mitunter die erwähnten Gelüste oder gar Mordgedanken, wenn sie deshalb im Anschluss selbstverständlich über sich selbst entsetzt ist und weiterhin mit Schuldgefühlen nervt. Einen Mann verachten, sich dennoch von ihm angezogen zu fühlen, ist eher der Stoff, aus dem Seifenopern gestrickt werden.

Aber wie es mit diesen Unterhaltungsromanen nun mal so ist - spannend, wenn auch in Maßen, ist "Lass mich los" auf jeden Fall. Die Autorin versteht ihr Handwerk und in handverlesenen Abschnitten weiß sie sogar zu glänzen. Die permanenten Wechsel in der Erzählperspektive setzt sie gekonnt in den von ihr gewählten, letztlich aber eher weich gespülten, Spannungsbogen ein. Gelungen sind die Sichtweisen des zehnjährigen Mädchens von nebenan, Clara. Ihre Sicht der Welt und ihre aufkeimenden Fähigkeiten, insbesondere nach einem Zeitsprung, sind spannend, retten den Roman aber nicht wirklich.

Eine "lähmende Kälte", die über einen Körper "hinwegkriecht" reizt zum Lachen. "Psychothriller" geht anders. Mehr als eine ebenso gefällige wie leicht verdauliche Unterhaltungskost ist das nicht, was das kitschige Ende noch einmal unterstreicht.

 

Thomas Lawall - März 2018

 

 

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