Kolustros Traum Eine phantastische Geschichte
von Olaf Reins
110 Seiten © Acabus Verlag, Hamburg 2009 www.acabus-verlag.de ISBN: 978-3-941404-86-1
Peter Kolustro geht es ganz prima. Gerade einmal vier Jahre hat er gebraucht, um ein Vermögen zu erwirtschaften, das es ihm erlaubt, fortan in Saus und Braus zu leben. Zur Arbeit muss er längst nicht mehr gehen. Wäre auch völlig sinnlos, denn weshalb sollte er jemals noch einen Finger krümmen? Sein Weltbild ist einfach. Antworten sind schnell gefunden. Genau vier Zwecke hat das Dasein, meint er. Essen gehört dazu und Schlafen scheint ihm der zweite Zweck zu sein. Und er macht reichlich Gebrauch von beidem. Zweifellos gäbe es zwei weitere Lebenszwecke, aber darauf sei er noch nicht gekommen.
Pernilla Jörgensen hat es nicht leicht. Die Wirtschafterin kämpft täglich mit dem Unwillen ihres Herrn, seinen mit zwei Dutzend rüschenbesetzten Daunenkissen beladenen "Federbettgletscher" zu verlassen. Zunächst muss ja erst einmal die nötige Kraft zum Aufstehen gefunden werden. Und das kann dauern. Schließlich ist Peter Kolustro davon überzeugt, dass er als Mensch einem fürchterlichen Fluch unterliegt. Er wäre gezwungen, "die Gefilde des Schlafes verlassen zu müssen, nur um sich von der Welt im Allgemeinen und Eltern, Verwandten und sogenannten Freunden im Besonderen, so lange langweilen zu lassen, bis der Schlaf ihm erneut ein befristetes Asyl gewährt".
Doch heute steht unerwartet hoher Besuch an. Herrmann Kolustro wartet bereits ungeduldig in der Halle, was Peter nicht unbedingt mit großer Freude erfüllt, da er der Ansicht ist, sein verehrter Herr Vater wäre ein Arschloch. Erst einmal möchte er einen Morgensherry serviert bekommen, bevor er sich an das halsbrecherische Abenteuer des Treppenabstiegs - seiner ganz persönlichen "Eigernordwand" - wagt. Gemeinsam mit seinem ernsthaft aufgebrachten Vater begibt er sich alsdann auf die überaus beschwerliche Expedition ins Speisezimmer, wo auf einem Kastentisch aus dem 15. Jahrhundert bereits gut drei Dutzend Austern "der Rechtfertigung ihres Todes harrten".
Herrmann Kolustro berichtet von einer Katastrophe, die sich in der Galerie zugetragen hätte, und für die offenbar Peters jüngerer Bruder Konrad eine nicht unbeträchtliche Verantwortung tragen würde. Doch diese Umstände sowie die "runde" Summe, die nun aufzubringen wäre, können Peter nicht sonderlich beeindrucken oder beunruhigen ...
... der Traum der folgenden Nacht dann schon eher. Die Ereignisse, die sich später während jener privaten Weinversteigerung ergeben, bringen Peter dann endgültig aus dem Konzept, denn das, was ihm diese beiden Herren vortragen und sogar zeigen können, übersteigt alles bisher Erlebte ...!
Nun habe ich selten eine Geschichte gelesen wie diese, wenn überhaupt. Es gibt nur noch wenige Bücher, die neben dem Strom der Bestsellerfluten einmal etwas völlig anderes bieten, und die sich in der allgemeinen Belanglosigkeit ihren Platz behaupten. "Kolustros Traum" sprengt konventionelle Lesegewohnheiten schnell und endgültig. Olaf Reins bringt die Dinge auf den Punkt und bauscht die Story nicht durch unnnötige Füllmaterialien wie die sinnlose Anhäufung von Schauplätzen sowie die Vorstellung unmaßgeblicher Nebendarsteller auf. Er setzt seine Prioritäten auf die geradlinige Ausführung einer genialen Idee, aber auch den Moment der Überraschung, gehobene Situationskomik und pointenreich ausgefeilte Dialoge. Der freie Autor und Journalist weiß unseren Horizont zu erweitern, indem er Wirklichkeit und Phantasie gegenüberstellt und ineinander fließen lässt.
Die Grenzen verwischen, scheinen sich aufzulösen, um schließlich ganz zu verschwinden. Die Realität stellt sich selbst in Frage und treibt ein komplexes Spiel ...
... jedenfalls aus literaturphysikalischer Sicht!
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