Literatur

Kleine Scheißhausgeschichten
68 kurzweilige Geschichten zum Schmunzeln

von Markus Walther


154 Seiten
© ACABUS Verlag, Hamburg 2010
www.acabus-verlag.de
www.din-a4-story.de/
ISBN: 978-3-941404-64-9



Nach seinem Erstling „Gute und Böse Nachtgeschichten“ präsentiert der Kölner Autor Markus Walther jetzt sein neuestes Werk. „Kleine Scheißhausgeschichten“, erschienen im Hamburger ACABUS Verlag, sollten auf dem stillen Örtchen gelesen werden, empfiehlt der Autor in seinem Vorwort. Hier werden wir als Leser auch mit den Worten "Ah, da sind Sie ja" persönlich begrüßt ... und es wird nicht die einzige persönliche Ansprache bleiben. Das finde ich ausgesprochen nett. Weniger nett finde ich die Vorstellung, ein solches Werk an jenem Ort zu lesen, wo ich persönlich die Gedanken lieber über den Horizont wähnen lasse oder mir allenfalls etwas Prospektmaterial vom Discounter zur oberflächlichen Durchsicht genehmige.

So empfand ich auch als ersten Eindruck den Titel etwas zu drastisch formuliert, obgleich mich die Illustration von Petra Rudolf durchaus belustigen konnte. Darüber hinaus hielt sich meine Neugier aber in Grenzen, denn Sammlungen von Kurzgeschichten sind nichts Neues oder gar Ungewöhnliches. Doch bei der ersten Durchsicht änderte sich dies ebenso schnell wie endgültig. Spätestens beim Inhaltsverzeichnis. Denn hier schien etwas nicht zu stimmen. Das Büchlein kommt mit gerade einmal 154 Seiten daher, gönnt sich aber mit satten drei Seiten ein recht umfangreiches Inhaltsverzeichnis ...! Wie das?

"Der Reporter" steht am Fenster seines kleinen Büros und lässt seinen Gedanken freien Lauf. Die Realität kann er kaum noch wahrnehmen. Kaum 15 Minuten ist es her, als jener Mann ihm seine seltsame Geschichte erzählt hat. Niemand würde sie glauben, auch sein Chef nicht. Wahrscheinlich kein Chefredakteur der Welt. Dieses reale Schicksal war kein Märchen oder Fantasy oder eine Tragödie, wie sie nur der Zufall schreibt. Der Mann wusste, wann er sterben wird. Morton hieß er, und er wusste es ganz genau. Auf die Minute. 30 hatte er angeblich noch, als er in die Redaktion kam ...
Mit knapp fünf Seiten ist diese mehr als ungewöhnliche Geschichte die längste in diesem Buch. Es geht auch kürzer. Viel kürzer. "Der Eiskunstläufer" ist so eine, und sie lässt uns erschaudern. Markus Walther packt ein ganzes Leben auf eine Seite und schaufelt Berge von Leidenschaft in wenige Zeilen!

Ein Wechselbad aus Normalität und Alptraum begegnet uns auch in den anderen Geschichten. Wir lernen Engel mit irdischen Bedürfnissen kennen, die uns schmunzelnd an unsere eigenen erinnern, erfahren, wie man eine Revolution mit einer Krawatte anzettelt, wie sich ein Sternekoch aktiv (und recht erfolgreich) in die Familienplanung der oberen Zehntausend einmischt, oder sind dabei, wenn Petrus mit einem Handwerker streitet, weil dieser den ewig gleichen Song von Led Zeppelin nicht mehr hören kann!

Nachbarschaftshilfe kann ganz schön in die Hose gehen, Erbstücke gehen mitunter recht unkonventionelle Wege, Isaac Assimovs Robotergesetze erfahren eine so nicht geplante Verwirklichung, vegetarische Drachen haben es nicht leicht, und auch auf die allesumfassende Frage, was passiert, wenn ein Triebtäter auf einen Feuerteufel trifft, gibt es die ebenso originelle, wie erschreckende Antwort.

Aus einleuchtenden Gründen gibt es die Zahnfee und den Weihnachtsmann nicht mehr, der Teufel höchstpersönlich berichtet von seinen liebsten Sammlerstücken, Vampire sollten nicht allzu unachtsam sein, in der Anderswelt beginnt der Tag wahrlich anders und Liebe sowie Sparsamkeit können den Tod überleben ...

Alltag und Wahnwitz geben sich in "Kleine Scheißhausgeschichten" die Klinke in die Hand. Es darf gelacht, geweint und gezittert werden. Doch es gibt auch Momente der Ruhe, endlose Sehnsucht und Liebe, die alle Grenzen überschreitet. Philosophische Betrachtungen bringen uns ans Ende aller Tage, schockierendes Entsetzen führt uns an die Grenzen des Erträglichen und schallendes Gelächter wieder auf den Boden der (durchaus wackeligen) Tatsachen zurück.

Walthers "Microfiction" ist keineswegs ein zusammengekürztes Sammelsurium bunt gemischter Storyfragmente, geschüttelt und gerührt für Leute, die immer weniger Zeit zum Lesen opfern, sondern ein hochwertiges Konzentrat aus Leben, Phantasie und Philosophie. Das Konzept des Autors, den Umfang seiner Geschichten keinesfalls über eine einzige DINA-4-Seite unnötig auszudehnen, geht voll auf. Markus Walther zaubert Momentaufnahmen oder Ewigkeiten auf das gegebene Format, die sich vollkommen gleichberechtigt gegenüberstehen.

Mein Fazit: Alle verfügbaren Daumen nach oben. Fürs Scheißhaus viel zu schade! Das Buch sollte vielmehr in keiner Nachttisch-Bibliothek fehlen! Dieses Wagnis ist gleichwohl mit einem gewissen Risiko verbunden, denn nach abgeschlossener Bettlektüre ist mit wahrlich seltsamen Träumen zu rechnen ...

 

Thomas Lawall - November 2010

 

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