Kalter Strand
von Anne Nørdby
476 Seiten © 2019 - Gmeiner-Verlag GmbH www.gmeiner-verlag.de ISBN 978-3-8392-2425-0
Was sich im Klappentext gar nicht gut anhört, beginnt, abgesehen vom ersten Kapitel, welches als Prolog funktioniert, zunächst recht gemächlich. Tom Skagen von der Sondereinheit Skanpol in Hamburg feiert seinen 38sten Geburtstag. Aus der anschließenden Party wird jedoch nichts, denn gemeinsam mit seiner Chefin Jette Vestergaard, Leiterin der Abteilung Skanpol, wird er im Fall einer getöteten unbekannten Deutschen nach Dänemark beordert. Dass die Feierlichkeiten ausfallen, ist ihm gar nicht mal so unrecht ...
Am Zielort geht es in einer Ferienhaussiedlung zunächst ebenfalls recht beschaulich zu. Familien mit Kindern treffen an ihrem Urlaubsort ein und beziehen ihre Quartiere direkt am Meer. Alles sieht nach Urlaub aus, wenn sich da nicht die einen oder anderen leicht beunruhigenden Momente einschleichen würden. Da ist zum Beispiel jener seltsame Schatzsucher am Strand, mit einem Metalldetektor auf der Suche nach Kriegsartefakten aus dem zweiten Weltkrieg.
Derweil treffen Jette und Tom in Ringkøbing ein. Nach der Einweisung in den Stand der Ermittlungen und der Besichtigung des Tatorts kommen die Dinge langsam ins Rollen, wobei hier die Betonung auf langsam liegt. Anne Nørdby hat es nicht eilig und will ihre Leserinnen und Leser nicht ständig mit vollendeten Tatsachen abspeisen. Diese müssen erst einmal in mühsamer Kleinarbeit erarbeitet werden.
Jene akribischen Ermittlungen weiß sie überzeugend in Szene zu setzen. Etwas klischeebeladen mögen die vorschnellen Schlüsse des Chefs der dänischen Kollegen sein, was die Gesamtsituation aber wenig stört. Auch hier weiß die Autorin altbekannten Mustern neue Nuancen hinzuzufügen. Besonders geschickt zeigt sie sich im unterschwelligen Transportieren von Botschaften, sowohl im zwischenmenschlichen Bereich als auch auf sachlich dienstlicher Ebene.
Natürlich gibt es auch Komplikationen privater Natur. Jettes Mann Thies fühlt sich in seiner Rolle als Hausmann nicht besonders wohl. Mit der fünfjährigen gemeinsamen Tochter und der Gesamtsituation scheint er völlig überlastet zu sein. Wenn er wüsste! Einiges wird noch auf ihn zukommen ...
... wie auf alle Beteiligten ebenfalls. Die verhalten angedeuteten dunklen Elemente beginnen schließlich Gestalt anzunehmen. Das ist ebenso unangenehm wie spannend. Und dies auf mehreren Ebenen, denn auch Tom Skagen scheint ein Geheimnis mit sich herumzuschleppen, was offenbar mit seiner Vergangenheit und seiner Tätigkeit als Erster Nautischer Offizier auf einem Containerschiff zu tun hat.
Doch damit nicht genug. Wenn der Roman gewisse Seiten und Rollen, zumindest ansatzweise, tauscht, dann überschreitet er Grenzen. Insbesondere wenn es um jenen "düsteren Code" geht, den jeder in sich trägt ...
Ein rundum gelungener Kriminalroman also, der das Prädikat Thriller mehr als verdient hat und trotz altbekannter Strickmuster etwas aus dem Rahmen fällt.
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