Jenseits auf Rezept
von Lisa Lercher
272 Seiten © Haymon Taschenbuch, Innsbruck-Wien 2018 www.haymonverlag.at ISBN 978-3-7099-7898-6
Nach seinem Herzinfarkt genesen, hat Major Paul Eigner sein Leben neu sortiert. Seine Tätigkeit beim Wiener Kommissariat ist Vergangenheit und sein neuer Wirkungskreis bei der Kremser Kriminalpolizei gestaltet sich weit weniger spektakulär. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, als gewisse Dinge eine unerwartete Lawine ins Rollen bringen sollten.
Zunächst erfreut sich Paul Eigner aber an seiner Rückkehr in die Wachau. Schließlich lebt hier seine Schwester Hanni, in deren Haushalt auch sein pflegebedürftiger Vater untergebracht ist. Dass es ihn zu seinen Wurzeln zurückzog, hat auch sehr viel mit der schönen blauen Donau zu tun, so wie die gesamte Geschichte übrigens auch ...
Es ist nicht unbedingt einfach zu beschreiben, wieso in diesem Roman alles funktioniert, während in vergleichbaren Werken das gesamte Szenario regelrecht zusammengeschustert wirkt. "Jenseits auf Rezept" ist einer jener "kleinen" Kriminalromane, die in jeder Zeile ebenso authentisch wie überzeugend sind. Das ist keine Aneinanderreihung von literarischem Füllmaterial, jenen Dehnungselementen, die notwendig sind, eine dünne Story auf das gewünschte Format aufzublasen.
Das Gegenteil ist hier der Fall, denn Lisa Lercher schafft es, selbst mit scheinbar nebensächlichen Randbemerkungen, stets glaubhaft zu bleiben, und wenn jene sich beispielsweise auf ein Verbrechen beziehen, während sich die Protagonisten einen Kaffee einschenken, entstehen mitunter komische Situationen, die in ihrer Beiläufigkeit um so witziger wirken. Mehr als nur ein schelmisches Augenzwinkern.
Neben dem "Major" kann auch und vor allem die Besetzungsliste der Nebendarsteller überzeugen. Ob es nun Pauls Vater mit seiner unverschämten, aber liebevollen Spitzfindigkeit ist, die resolute Gerichtsmedizinerin Doktor Preinsack, oder die redselige und mit einem gewaltigen Mitteilungsbedürfnis ausgestattete Genoveva Gebetspichler.
Apropos Preinsack. Attraktivität, forsches Auftreten und immenses Fachwissen beeindrucken und heizen die Spannung, insbesondere bei einer anstehenden Obduktion, derart an, dass sich Leserinnen und Leser (so geschehen beim Rezensent) vor lauter Aufregung bereits vor den schaurigen Details womöglich verlesen, indem sie "Eingeweidehandschuhe" statt Einweghandschuhe lesen.
Auch die zahlreichen Dialoge sind wie aus einem Guss und weisen einen ausgefeilten, drehbuchartigen Charakter auf. Auch hier kein unnötiges Beiwerk. Weniger ist hier mehr. Die Autorin beherrscht die Kunst des Weglassens.
Für eingefleischte Krimifans bedeutet die Auflösung des Falles nicht unbedingt eine Überraschung, da die falschen Fährten teilweise doch recht auffällig verlegt sind. Dennoch kann der Weg dahin überraschen. Die ermittlungstechnischen Details sind schlüssig und die nahtlose Einbindung in den beschaulichen Alltag dörflicher Idylle machen "Jenseits auf Rezept" zu einer unterhaltsamen Perle des Genres.
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