Literatur

Jahreszeiten

von Herman van Veen


176 Seiten
© 2023 Herman van Veen
© 2024 der deutschsprachigen Ausgabe Knaur Verlag
www.droemer-knaur.de
ISBN 978-3-426-56012-9



Was überhaupt nicht in eine Rezension gehört, trotzdem gleich zu Beginn, denn es gibt sie noch, die unglaublichen Zufälle:

Hermann van Veen feiert im Frühjahr 2025 seinen achtzigsten Geburtstag, weshalb sein neues Programm, mit dem er bis Ende des Jahres unterwegs sein wird, schlicht "Achtzig" heißt. Jetzt kommt der Rezensent ins Spiel, denn nach mehreren Kontrollzählungen steht fest, dass er hiermit die "achtzigste" Rezension für die Verlagsgruppe Droemer Knaur vorlegt!

Jetzt also zu "Jahreszeiten" und man könnte ja, wie schon einmal gesagt, meinen, dass nach 80 (schon wieder diese Zahl) Büchern (und 180 CDs) genug gesagt und gesungen wäre. Schöner kann ein Irrtum nicht sein, denn dem ist bei Weitem nicht so. Eine Melancholie liegt zwar wie eh und je über allem, doch nun wird sie, (nicht nur) in "Regenreise", deutlicher und lauter:

"Versuchst
aufrecht weiterzugehen
und zu hoffen
ich bin noch
nicht dran"

Notizen wie aus einem Tagebuch vermischen sich mit den immer unvermeidlicheren Rückblicken, kongenial von Thomas Woitkewitsch übersetzt, die sehr persönlich aber auch Einfluss und Zustand dieser Welt reflektieren. Stets beginnt Herman van Veen jedoch im kleinsten Rahmen damit. Dort, wo die Dramen ihren Anfang nehmen und langsam immer größer werden:

"Opa geht nach Haus, um einen kleinen Vers zu schreiben, bevor er ihn vergisst." (Aus "Braut")

Es ist und es bleibt so: Was Herman van Veen schreibt, hört sich stets an wie gesungen. Melancholie, aber auch Hoffnung und Zuversicht sind Dauergäste und applaudieren sich gegenseitig. Er sieht das Leid der Welt, doch er will nicht darin versinken und weigert sich standhaft, sich ihm gar zu ergeben. Wie es scheint, sind Lachen und Weinen sehr gute Nachbarn.

Einmal mehr schreibt er sich um die ganze Welt, quer durch die Vergangenheit, trifft auf die Gegenwart und verwebt sie mit dem eigenen, ganz persönlichen Lebenslauf, immer auf der Suche nach einem Sonnenstrahl, möge er sich auch noch so gut verstecken.

Weit ist der Weg von Tim und Struppi, kanadischen Buschbränden, New Yorker Luftverschmutzung, Erdbeben in der Türkei, Krebserkrankungen, hin zu Erinnerungen an Kindertage und Jugend, Baumsterben, Bodenverdichtung, Hexenverfolgungen, aktueller Politik, bis zur "Illusion von Individualität" oder der Wichtigkeit von Gesang.

Selbst in der Erdgeschichte reist er weit zurück. Weiter zurück, als wir uns vorstellen können. Einst lebte und wuchs nichts auf dem Planeten. Immerhin habe es aber schon Geruchsmoleküle gegeben:

"Das war lange vor der Ankunft der Füße."

"Jahreszeiten" ist ein Buch, das den Gedanken das Springen lehrt. Entstanden vielleicht aus der Idee, den Kopf etwas zu entlasten. Schließlich müssen Jahr für Jahr mehr Erinnerungen gespeichert werden. Eine Lösung wäre, "möglichst viel zu vergessen". Aber was passiert, wenn es nicht gelingen mag?

"... dann schreibe ich das, was ich loswerden will, auf wie in dieses Buch."

 

Thomas Lawall - Januar 2025

 

 

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