Literatur

In der ersten Reihe sieht man Meer


von Volker Klüpfel und Michael Kobr


320 Seiten
© 2016 Droemer Verlag
www.droemer.de
ISBN 978-3-426-19940-4



Reisen macht hungrig. An der italienischen Adriaküste angekommen, gibt es zuerst einmal ein zünftiges Frühstück. Da man der landeseigenen Küche nicht über den Weg traut, besteht es selbstverständlich aus den Überresten der aus Deutschland mitgebrachten Wegzehrung. Gegen Omas Marmorkuchen ist sowieso kein Kraut gewachsen.

Dergestalt für die zu erwartenden Abenteuer des Tages gerüstet, macht sich Familie Klein auf den gar nicht mal so kurzen Weg von ihrer Unterkunft zum Strand. Das zieht sich und wird nicht nur durch die Tatsache der großen Hitzeeinwirkung erschwert, sondern auch durch die Mitnahme einer Vielzahl von unverzichtbaren Gegenständen. Fast hat man den Eindruck, Familie Klein will "für immer an den Strand ziehen".

Unterwegs sind die pubertierenden Kinder Alexander und seine "heißgeliebte" Schwester Nicole mit ihren Eltern und der Oma mütterlicherseits. Diese Konstellation allein verspricht schon genug Konfliktpotential, nimmt aber durch besondere Umstände an Brisanz zu. Alexander ist älter, als alle ahnen ...

In der Werbebrache erfolgreich tätig, findet er sich unvermittelt als fünfzehnjähriges Pickelgesicht in seiner Familie wieder. Gemeinsam mit ihnen macht er sich auf die erste Urlaubsreise nach Italien und erlebt somit einen nicht unwesentlichen Teil der 80er Jahre noch einmal.

Allein die somit veränderten Blickwinkel des "Jugendlichen" gestalten sich lesenswert, womit Volker Klüpfel und Michael Kobr ein durchaus interessantes literarisches Experiment gelungen ist. Bei Leserinnen und Lesern dürften somit nicht nur Erinnerungen an die eigene Jugend geweckt werden, sondern eine ganze Vielzahl von Assoziationen und Gedankenspielen.

Wie wäre es, wenn man einige Dinge noch einmal erleben dürfte? Wie würde man sie aus heutiger Sicht und mit fortgeschrittener Erfahrung bewerten? Was und wie würde man anders entscheiden? Könnte man überhaupt etwas verändern oder ist, aus der Gegenwart betrachtet, alles vorgezeichnet? Würde bei zu viel Veränderungen gar das Universum explodieren?
 
Wer das Autorenduo kennt, ahnt schon vor der Lektüre, was ihn erwartet. Jene Erwartungen werden keineswegs enttäuscht, denn mit lässigem Witz nehmen sie sich auch dieser Thematik in entsprechender Bandbreite an. Ähnlichkeiten zu ihrem "Hauptwerk" sind aber nicht wirklich auszumachen. Man kupfert also nicht von sich selbst ab, sondern schafft etwas Neues und Eigenständiges.

Das hält die beiden Spaßvögel aber nicht davon ab, eine nicht ganz unbekannte Person unvermittelt durch einen Nebenschauplatz poltern zu lassen. Faszinierend dabei ist, wie nur eine kaum merklich veränderte Wortwahl völlig andere Bilder erzeugen und Charaktere wecken kann, die man sofort erkennt!

In dem genannten Jahrzehnt war der Badeurlaub in Italien für den Rezensenten kein Thema mehr, weshalb er sich noch ein gutes Stück weiter in die Vergangenheit zurückversetzt fühlt. In seinem Fall waren es die 60er Jahre, in welchen er mit seinen Eltern Jahr für Jahr die ganzen Sommerferien dort verbrachte, manchmal auch nur mit Mutter und Bruder sogar Monate während der Vorschulzeit. So chaotisch wie bei "Familie Klein" war es jedoch nicht (immer). Schließlich musste sein Vater wegen beruflicher Verpflichtungen stets früher nach Hause fahren ...

Es waren wahrhaft sonnige Zeiten und dies nicht nur witterungsbedingt. Herrlich ausgelassene und völlig unbeschwerte Kindertage, die leider irgendwann vorbei waren. Zwar hinterließen sie ihre Spuren, kehrten  aber niemals zurück. Dieses Buch vollbringt das Wunder, jene glücklichen Tage wieder aufleben zu lassen!

 

Thomas Lawall - März 2017

 

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