In der Schlinge des Hasses
von Herbert Dutzler
350 Seiten © Haymonkrimi Innsbruck-Wien www.haymonverlag.at ISBN 978-3-7099-8102-3
Steter Tropfen höhlt den Stein. Am Anfang ist Leo ein (scheinbar) ganz normales Kindergartenkind. Seinen Werdegang erleben wir aus zwei Perspektiven. Was aus ihm geworden ist, zeigen die Kapitel, die sein Leben als Erwachsener schildern. Die anderen handeln von seiner Kindheit und beschreiben einen Weg, der in gewisser Weise vorgezeichnet war, nicht unbedingt zwingend, in seinem Fall aber unausweichlich.
Die unseligen Vorzeichen beobachten wir bereits im Kindergartenalter, wenn Leos Mutter offenbar völlig unfähig zu sein scheint, sich auf die kindliche Gedankenwelt ihres Sohnes einzulassen. Sie holt ihn vom Kindergarten ab, doch das selbstgebastelte Hexenhaus interessiert sie wenig und sie würde es am liebsten gar nicht mitnehmen, schließlich hat man "zu Hause schon genug von dem Krempel".
Leo kennt das aber schon, denn bevor Papa nach Hause kommt, ist Mama immer "furchtbar hektisch". Kein Wunder, denn gegen seine Autorität ist absolut kein Kraut gewachsen. Mit "Mädchensachen" darf Leo nicht spielen, das Besteck auf dem Esstisch muss perfekt ausgerichtet und im rechten Winkel zur Tischkante liegen, und überhaupt hat das ganze Leben in geordneten Bahnen zu laufen, denn schließlich soll aus Leo mal ein ganzer Kerl werden. Wenn Papa endlich wieder zur Arbeit muss, legt Mama
"die Hände vors Gesicht und zuckt. Ich glaube, sie weint still in sich hinein."
Das alles ist schlimm genug, doch reicht für sich alleine gesehen nicht, die Entwicklung in ein rechtsradikales Milieu zu rechtfertigen, doch in der Summe bringen die steten Tropfen das Fass irgendwann zum Überlaufen.
Die Hilflosigkeit dem Vater gegenüber und den sich unaufhaltsam steigernden Hass der Mutter gegenüber, die zur Alkoholikerin wurde und sich in ihrer Verzweiflung an ihren Sohn zu klammern versucht, lassen in Leo immer mehr das Bild eines Einzelkämpfers entstehen.
Diesen giftigen Cocktail reichern dann rechte Denkmuster an, die er gebetsmühlenartig immer und immer wieder wiederholt und verinnerlicht, eine bösartige Saat, die bei ihm wie auf fruchtbaren Boden fällt. Die ihm lächerlich erscheinenden Aktionen gegen Linke, die im Rahmen seiner studentischen Verbindung organisiert werden, reichen ihm längst nicht mehr aus. Er muss etwas tun. Mehr tun. Handeln statt reden. Schließlich sind das Vaterland, seine Kultur und Religion in akuter Gefahr.
In Gefahr ist auch die gute Laune der Leserinnen und Leser, denn dieses Psychogramm eines gewaltbereiten Rechtsradikalen wirkt erschreckend authentisch und unterstreicht gewisse gesellschaftliche Entwicklungen sowie Ereignisse, die bereits stattgefunden haben.
Herbert Dutzler hat ein beklemmendes Bild gezeichnet. Die Romanform ist geglückt, doch wird sie vermutlich leider nur jene Menschen erreichen, die sich fernab des beschriebenen Gedankenguts bewegen. Doch wer weiß, was ein Buch dieses Kalibers vielleicht doch erreichen kann?!
|