Literatur

Im Land der Wölfe

von Elsa Koester


318 Seiten
© Frankfurter Verlagsanstalt GmbH,
Frankfurt am Main 2024
www.fva.de
ISBN 978-3-627-00320-3



Gesetze hat sie gebrochen. Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Vollzugsbeamte, die ganze Palette. Am Protest für den Kohleausstieg war Katja Stötzel, Gründerin der "Zukunftsgrünen" in Leipzig, maßgeblich beteiligt. Zu sehen auf einem Video, welches Ariane "Nana" in die Hände fällt.

Hier wurde sie erstmals auf die Gründerin der neuen "Zukunftsgrünen" in Leipzig aufmerksam. Die Chancen stehen nicht einmal schlecht, denn laut Umfragen wären 30% Stimmenanteil nicht unrealistisch und der Posten einer ersten zukunftsgrünen Bürgermeisterin von "Grenzlitz", am Rande Sachsens, somit im Bereich des immerhin Möglichen.

Nana bietet sich Katja Stötzel als Coach, zur Unterstützung ihrer Ziele, an. Nicht zuletzt will sie damit helfen, den Einzug des rechten Kandidaten Paul Witte ins Bürgermeisteramt zu verhindern. Die jeweiligen Parteien beobachten sich, auch persönlich, bei Zusammenkünften und Veranstaltungen, bis der Wahlkampf beginnt, sich immer mehr zuzuspitzen.

Auch in jener Partei, die Nana eigentlich unterstützen will, trifft sie auf Vorbehalte und Widerstände. Kein Vergleich allerdings mit jenen, welche die "Blauen" jetzt auffahren...

Elsa Koester zeichnet Welten, die aufeinanderprallen, die ihren Ursprung (auch) in Geschichte und Persönlichkeitsentwicklung ihrer Hauptpersonen finden, sowie in deren inneren Konflikten, was sich bei Nana ebenso kompliziert wie langwierig gestaltet.

Ihr Verhältnis zum Bruder Noah schildert sie in kursiv gesetzten Kapiteln (und reduziert-anstrengender Orthografie), die etwas über das vielleicht notwendige Maß hinausschießen. Noah ist sich seiner Rolle als großer Bruder überdrüssig und findet sich mehr und mehr in einer femininen Identität wieder. Der Zwang, Mann sein zu müssen, scheint ihn zu ersticken. Er will kein "Mensch mit Hosen" sein, ein Körper aus zwei Teilen, getrennt durch einen Gürtel. Kleider sind ihm lieber, die er nur nachts trägt:

"...denn in Kleidern kann ich fließen und tanzen und Wald werden."

Nana scheint große Probleme mit der Akzeptanz zu haben, die sich in einer E-Mail-Korrespondenz immer weiter dramatisiert,

"er hat sich mir weggenommen"

was sich allerdings bei einer Person ihres neuen Umfeldes, mit ähnlicher Entwicklung, etwas anders gestaltet. Der widersprüchlichen Gefühle damit nicht genug, denn als ehemalige Antifa-Aktivistin fühlt sie sich in seltsamen Anwandlungen zu einem nicht unattraktiven Mitglied der rechten Szene hingezogen.

Die allgemeine Verunsicherung sowie eine Verwirrung der Gefühle in Szene zu setzen, gelingt der Autorin, trotz einiger Längen, überzeugend gut und wertungsfrei. Oft ist nichts so, wie es zunächst aussieht und doch gibt es hier und da Gräben, die nicht zu überwinden sind. Fundamentale Prägungen sind dabei nur ein Teil des Problems.

Elsa Koester beobachtet sehr genau und ihr Gefühl für Stimmungen und deren, selbst kleinste, Schwankungen kann sie auf eine absolut eigenständige Art und Weise ausdrücken, ja ausmalen:

"Hinter meinen Lidern das Licht ist weich. Zärtlich. Hellgelb. Rauschen."

Leinwandgroße Bilder entstehen, wenn sie Sonnenlicht zeichnet, Menschen, Straßen, Plätze, Landschaften, Wälder, Tiere, den Blick aus einem Dachfenster, die Stille in der Natur oder auch den geschäftigen bunten Lärm der Stadt.

Der Klappentext wirkt im Nachhinein etwas verwirrend, da er etwas einseitig nur die "Kulisse" besonders hervorhebt, was im Grunde auf eine falsche Fährte führt. Klar, "Im Land der Wölfe" ist ein politisches Buch, aber es ist im Besonderen die Geschichte Nanas und ihres Bruders Noah, um die es hier eigentlich geht. Es sind die Stationen einer Entfremdung und ein Ausbruch aus vorgegebenen Mustern, welche sich wiederum gut in den politischen Teil integrieren.

 

Thomas Lawall - Januar 2025

 

 

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