Literatur

Ich habe den Führer rasiert
Skurriles aus dem Altenheim


von Sven Bramert


208 Seiten
© 2014 Knaur Taschenbuch
www.knaur.de
ISBN 978-3-426-78657-4



Zu Beginn des Buches hätte man sich ein paar einleitende Seiten mehr gewünscht, doch nach wenigen Worten geht es mit dem ersten Kapitel "Wundertüte Altenheim" gleich in die Vollen.

"Elisabeth Teuber" ist eine "begnadete Überraschungskünstlerin" unter den Bewohnern der Station für Langzeitpflege im "Haus Brunhilde". Immer wieder hat sie spontane Eingebungen, die sie umgehend auf ihren Pfleger einstürzen lässt, wobei es keine Rolle spielt, wenn er ihr stets mit konstanter Freundlichkeit gegenüber tritt. Da kann es schon einmal vorkommen, dass sie ihn fragt, ob er denn ein Auto besitzen würde. Wenn er diese Frage bejaht, ist für die schlagfertige Bewohnerin sofort klar, dass es ihr Pfleger war, der sie "zweimal angefahren hat".

Erfreulicherweise wird die knappe Einleitung zu Beginn des zweiten Kapitels "Allein unter Frauen" fortgesetzt. Somit handelt es sich bei diesem Buch nicht nur um eine schlichte Aufzählung lustiger Begebenheiten oder "Skurrilem aus dem Altenheim", sondern wird durch sehr persönliche Ansichten des Autors unterstrichen und ergänzt. Die Arbeit mit alten Menschen sei beispielsweise "weder eklig noch ruhmreich", sondern eher "notwendig und sinnvoll" und mache zudem ("meistens") Spaß.

Weder die viel zitierte schlechte Bezahlung noch der vermeintlich nervtötende Schichtdienst kann Sven Bramert zusetzen. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Gemeinsame Wochenenden mit seiner Freundin zu verbringen sind rar, dafür entschädigen freie Tage in der Woche, welche letztendlich das Leben etwas anders und abwechslungsreicher gestalten: "Jeden Tag von acht bis fünf in einem Büro zu hocken, das wäre tödlich für mich."

Natürlich wird man als Mann in diesem Berufszweig, selbst wenn man die Position eines stellv. Stationsleiters erreicht hat, nicht immer und von allen ernst genommen. Geht es beispielsweise um eine telefonische Nachfrage einer Apotheke bezüglich der Medikation eines bestimmten Medikamentes, wird mitunter das Verbinden mit einer weiblichen Gesprächspartnerin gefordert.

Erstaunlicherweise haben selbst Bewohner Probleme, einen Mann als vollwertige Kraft anzusehen. Auf eine Nachfrage bezüglich seines beruflichen Werdegangs versicherte der Autor, durchaus eine dreijährige Ausbildung absolviert zu haben. Wenn der dann zu Pflegende fragt, wo er denn arbeiten würde, offenbart das die ganze Tragik der Umstände, welche Sven Bramert aber mit einem Augenzwinkern kommentiert und verarbeitet.

Dennoch schlägt der fidele Altenpfleger zurück, indem er uns beispielsweise etwas über die weibliche Übermacht - die Kolleginnen - erzählt. Nicht dass er mit den Damen nicht ebenfalls gut auskommen würde, doch die eine oder andere Marotte erschwert dies zumindest, vor allem wenn es sich um den jahreszeitlich bedingten "Dekowahn" handelt, "an denen die Frauen das Heim mit neuem Dekomaterial fluten".

Alles in allem ist "Ich habe den Führer rasiert" ein außerordentlich unterhaltsamer, witziger, aber auch respektvoller Bericht über den manchmal gar nicht so lustigen Alltag in einem Pflegeheim. Schon möglich, dass sich der eine oder andere Leser am reichlich lockeren Umgangston des Autors stören wird. Dem setzt Sven Bramert die Erkenntnis entgegen: "Trostlos ist das Leben von allein." Dennoch oder genau deshalb ist es nicht immer einfach, etwas Heiterkeit anzubieten ...

 

Thomas Lawall - Oktober 2014

 

 

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