Literatur

Ich bin ein Mörder

von Brigitte Pons


336 Seiten
© Sutton Verlag, 2011
www.sutton-belletristik.de
ISBN 3-978-86680-864-5



Der Tod ist untrennbar mit dem Leben verwoben. Sobald wir die Bühne dieser Welt betreten, ist er uns sicher. Er ist die einzige Sicherheit, die wir in unserer Existenz wirklich haben. Die meisten Menschen wollen oder müssen diese im Prinzip recht einfache Erkenntnis verdrängen, da sie sich nicht mit täglichen Gedanken an ihre eigene Endlichkeit belasten wollen. Paläste aus Glauben werden gebaut, um das Unvermeidliche zu beschönigen, um es zu verdrängen oder um ihm einen Sinn zu geben. Bei Bestsellerautor Tobias Stockmann wird das Drama unserer Existenz zur fixen Idee, es treibt ihn in selbstsüchtigen Wahn und dementsprechend arrogant tritt er in der Öffentlichkeit auf.

In einem noblen Frankfurter Wohnviertel hat er sich eine sündhaft teure Wohnung gekauft. Schwarzer Granitboden, weiße Teppiche, edelstes Mobiliar, doch scheinbar alles auf das Notwendigste reduziert. Die weißen Wände haben jede Menge Platz für Kunst. Auch und besonders hier spiegelt sich der Wahn des Autors, wobei er es im Schlafzimmer auf die Spitze treibt. Hier zieren ein mittelalterlicher Totentanz und Hieronymus Boschs Tryptichon die Wände. Täglich aufs neue wird Stockmann an seine Vergänglichkeit erinnert - "die Vollendung, die Verheißung, das Ziel für alle".

Alexandra Müller hat wieder eine ihrer zahlreichen Auseinandersetzungen mit ihrem Kollegen " Mischa" Thomas Michalczyk. Ihre Meinungsverschiedenheiten spielen sich aber stets auf einem ganz besonderen Niveau ab, denn die beiden verbindet nicht nur eine gewisse private Konstellation in der Vergangenheit, sondern auch eine berufliche Aufgabe. Alexandra und Mischa sind Partner im Streifendienst bei der Polizei in Frankfurt. Das schweißt zusammen, obwohl berufliche Angelegenheiten streng von dienstlichen getrennt werden.

Alexandra ist eine Leseratte und nervt ihren Kollegen fast täglich mit ihren Leseabenteuern. Selbstverständlich verschlingt sie Krimis am laufenden Band und sieht im Dienst permanent Parallelen zu fiktiven Straftaten und Kriminalfällen. Mischa ist genau das Gegenteil. Er ist Realist und "notorischer Nichtleser". Verpassen würde er aber nichts, denn er hätte ja ein "wandelndes Hörbuch" als ständigen Begleiter. Vielmehr glaubt er zu wissen, was seiner Kollegin beim Hochleistungssofahocken"entgeht: "Das Leben. Das findet nämlich nicht auf dem Sofa unter der Lesedecke statt. Sondern draußen in der Welt, zwischen echten Menschen."

Doch das sollte sich bald ändern. Bei einer Lesung von "Ich bin ein Mörder" erlebt Alexandra erstmals den Autor live. Sie ist fasziniert - Mischa entsetzt. Auf eine sehr selbstherrliche und zynische Art erhebt Tobias Stockmann den Anspruch auf absolute Authentizität seiner Werke, indem er sich selbst als Täter darstellt. Nun ergibt sich die große Frage, ob der Autor ein geschäftstüchtiger Selbstdarsteller ist, oder die in seinen verschiedenen Büchern dargestellten Gräueltaten tatsächlich begangen hat ...

Die in der Nähe von Frankfurt lebende Autorin Brigitte Pons hat mit "Ich bin ein Mörder" einen hervorragenden Einstieg in das Universum der Kriminalromane geschafft. Ihre Figuren und die damit verbundenen Ereignisse schaukeln sich gegenseitig hoch und scheinen sich jeweils übertrumpfen zu wollen. Die sehr ungewöhnliche Geschichte um den exzentrischen Bestsellerautor Tobias Stockmann ist schon eine Größe für sich. Sein persönliches Profil wird dabei so genau gezeichnet, dass es regelrecht auf die Nerven geht! Man möchte aufstehen und diesem fehlgeleiteten Individuum einen imaginären Faustschlag verpassen, der sich gewaschen hat!

Zusätzlich an Fahrt gewinnt der Thriller durch die privaten Verstrickungen der handelnden Personen, wobei das Liebesleben von Alexandra Müller ein Dreh- und Angelpunkt zu sein scheint. Ihr wird eine Beziehung zu einem verheirateten Mann gestattet, wobei sich (auch) diese wiederum unter besonderen Vorzeichen gestaltet. Als in ihrem weitläufigen Beziehungsgeflecht auch noch der "bekennende Mörder" Tobias Stockmann ein gehöriges Wörtchen mitzureden versucht, scheint die Situation zu eskalieren. Doch damit noch lange nicht genug ...

Noch ein kurzes Loblied muss sein: Brigitte Pons führt uns mit "Ich bin ein Mörder" am Rande des Abgrunds unserer eigenen existentiellen Problematik in haarsträubender Nähe vorbei. Die Geschichte ist dennoch frech, unkonventionell und locker erzählt. Die Stunden vergehen wie im Flug, obwohl die eine oder andere Passage zu einer Notbremsung verleiten. Man muss eine Pause machen oder zumindest kurz innehalten, denn die Vielfalt der angesprochenen Themen, die sich kreuz und quer durch menschliche Höhen und Tiefen ziehen, zwingen nicht selten zum Durchatmen.

Und Ekel Tobias Stockmann hat ja im Prinzip gar nicht mal so unrecht - wenn man sein Kostüm aus Irrsinn einmal weglässt. Viel, was er sagt, entspricht schlicht und einfach der (schrecklichen) Wahrheit. Doch ist es auch wahr, dass er ein vielfacher Mörder ist ...?

Unglaublich spannendes Debut! Noch spannender wird sein, ob Brigitte Pons dieses im (hoffentlich geplanten) Nachfolger noch zu toppen vermag ...

 

Thomas Lawall - November 2011

 

 

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