Literatur

Hurenballade
Dreizehn Stories


von Roland Krause


200 Seiten
© 2016 BALAENA Verlag, Landsberg am Lech
www.balaena.de
ISBN 978-3-9812661-6-0



"Manchmal weiß man etwas und muss es trotzdem überprüfen, sonst lässt es einem keine Ruhe." Roland Krause schreibt ab. Von dem, was uns ständig umgibt. Vom Leben und dem, was so schnell vergeht. Den zähen Einheitsbrei scannt er mit hellwachem Blick und entdeckt somit jene Momente, die das Leben ausmachen und erzählt von Menschen, die es in jedem einzelnen Moment leben und oft die ganzen Sekunden und Minuten kostbare Lebenszeit vergessen oder in all der Hast und Eile irgendwo liegenlassen.

Dumm, wenn die Freundin nicht mag, weil das Haltbarkeitsdatum des Kondoms abgelaufen ist und dumm, wenn ihr Angebeteter sich in eine Odyssee der kleinen Katastrophen begibt, um einen frischeren Gummi "mit amtlichem Datum" zu später Stunde zu ergattern.

Rührend dann die Geschichte um Reinhard, welche diesem Buch seinen Titel gab. Reinhard sucht nach Worten, die er bei "Chantal" findet. Sie helfen ihm durch den grauen Alltag, machen ihn satt ... und für einen Moment verlieren Leserinnen und Leser am Ende der Geschichte den ach so sicher geglaubten Boden unter den Füßen.

Ärgerlich die Sache mit Frido und Jenny und wenn unvorhergesehene Ereignisse ein Lokal der gehobenen Klasse in ein "Wiesn-Festzelt" verwandeln. Deftig geht es also auch, gleichwohl ist das leicht überspannte Szenario mehr Mittel zum Zweck, denn derlei beziehungstechnische Komplikationen, (Schwieger-)"Eltern waren dünnes Eis", kennen wir alle, so oder anders, irgendwoher ziemlich gut. Ein Beispiel für den besonderen Humor des Autors findet sich in einem beiläufigen Verweis auf eine dreiteilige Fantasy-Reihe.

Nachdenklich der Tod von Benzo, dem Hund. Kaum zu glauben, welche Türen sich dadurch öffnen. Gleichgültigkeit bekommt eine volle Breitseite und die statistisch belegten 10.000 Dinge, die jeder Deutsche besitzt, eine andere Bedeutung. "Besser so!"

Jetzt aber die Scheinwerfer ausgemacht. Mehr wird über den Inhalt nicht verraten. Also kein Wort über die bösartige Pointe in "Du sollst nicht begehren", nichts über fliegende Ziegen, eine endlose Sekunde, einen verlorenen Geldbeutel und die abenteuerlichen Rückgabemodalitäten, was in sechs Minuten so alles passieren kann oder warum manche einfach kein Glück haben mit dem wahren Leben: "Das mit dem Heiraten und Glücklichsein und Trallala ist sowieso nur eine Mär - Schlaf Kindlein schlaf - ..."

Es gibt sie noch, die wunderbaren Bücher, auch wenn jene Wunder nichts anderes als vergessene und verlorene oder sogar noch gar nicht gefundene Bruchstücke und Situationen des täglichen Einerleis sind. Roland Krause schneidet vom Leben kräftige Scheiben ab und formt sie in Worte. Seine "Übersetzungen" sind brillant, weil das Offensichtliche im Alltag oft übermalt oder schlicht übersehen wird. Er holt die flüchtigen Momente, die trotz ihrer vermeintlichen Unbedeutendheit alle ihren Platz in der Ewigkeit haben, zurück, und ist im Gegenzug in der Lage, neue Wege und Alternativen anzubieten, auch wenn diese sich hinter einem vermeintlich offenen Ende verstecken.

Seine Personen beschreibt er in ungewohnt bildgewaltiger Intensität, dennoch vermag er ihnen ihre erfrischende Bodenständigkeit zu bewahren. Nichts ist gekünstelt. Alles ist echt. Auch die vermeintlichen Übertreibungen, denn sie sind Sinnbilder, Spiegelbilder und charmant-virtuose Übertreibungen für das allzu Menschliche. Es kann also gut passieren, dass wir Freunden, Bekannten, Leuten von nebenan und sogar uns selbst über den Weg laufen. Oder wir treffen jenen Pubertierenden, der beim "Herumstehen einfach verschwinden kann". Man muss ihn suchen, obwohl er körperlich noch anwesend ist. "Der Verstand ist einfach raus aus dem Stall und mit den Schwalben um die Wette geflogen oder hat sich aus den Wolkengetürmen Viecher fantasiert." Großartig!

Ob Bücher etwas verändern können, mag diskutiert werden. "Hurenballade" kann es. Die besten Geschichten schreibt das Leben, sagt man. Roland Krause schreibt die noch besseren. Wenn man nach der Lektüre mit nur ein klein wenig offeneren Augen durch das Leben geht und Tage nicht nur "addiert", dann ist sehr viel erreicht. Immerhin kann das Buch den Blick etwas schärfen. Eine Ansammlung von Menschen oder ein schlichter Kneipenbesuch werden dann nie mehr wie vorher sein. Wenn das passiert, sieht man plötzlich mit den Augen des Autors und entdeckt im Gewöhnlichen das Besondere.

 

Thomas Lawall - Juli 2016

 

Besprechungen weiterer Bücher von Roland Krause

 

Für Fragen, Kritik und Anregungen steht unser Forum zur Verfügung

Home News Literatur Gedichte Kunst Philosophie Schräg Musik Film Garten Küche Gästebuch Forum Links Impressum