Hexenherz - Eisiger Zorn
von Monika Loerchner
440 Seiten © acabus Verlag, Hamburg 2017 www.acabus-verlag.de ISBN 978-3-86282-456-4
Eigentlich wollte sich der Rezensent ja dieses Fantasyzeugs, das mehr oder weniger immer nach dem gleichen Strickmuster angelegt ist, nicht mehr antun, egal ob es sich nun um das Aufspüren magischer Artefakte oder die Rettung der Welt durch einen Auserwählten handelt.
Doch Monika Loerchners Vorhaben, einmal andere Wege zu gehen, machte neugierig und weckte entsprechende Erwartungen. Nicht ohne Vorbehalte gestaltete sich dennoch der Beginn der Lektüre, doch bereits das erste Wort lockerte die Stimmung merklich auf: "Mist!"
Was dann folgte, war ganz und gar kein "Mist". Eher zunächst eine falsche Fährte, denn die Geburt eines Mädchens gilt es keinesfalls zu bedauern, jedenfalls nicht in dieser Welt. Und nein, es ist nicht irgendeine beliebige Welt in einem fernen Irgendwo, sondern hier bei uns, mitten in Deutschland.
Allerdings sind die Vorzeichen etwas anders, denn in jenen dunklen Tagen des 15. Jahrhunderts änderte sich der Lauf der Geschichte. Mal angenommen, die "Hexen" wären wirklich welche gewesen und hätten sich gegen die aufkeimende Verfolgung entschieden gewehrt und mal angenommen, in jeder Frau würde Magie schlummern, die lediglich zu einem bestimmten Zeitpunkt "erweckt" werden müsste.
Monika Loerchner entwickelt diese Idee konsequent weiter und entwirft für ihre Heldin Helena Rinasdother von Smaleberg eine neue andere Welt: Ein magisches Matriarchat. Männer haben sich in allen Belangen den Frauen unterzuordnen und sie verfügen über keine Magie. Ein paar Jahre können sie auf Feldern und in Minen arbeiten. Erleidet ein Mann einen Unfall, "ist er nichts als eine Last".
Friede auf Erden bedeutet die Umkehr der Rollenverhältnisse allerdings keineswegs, was Helena schnell erfahren muss, aber als Selbstverständlichkeit hinnimmt. Ohne Gewalt funktioniert es auch in diesem System nicht, was durch die Vielzahl der magischen Möglichkeiten der Frauen multipliziert wird.
Zunächst geht Helena ihren Weg und steigt in ihrer Position auf - immerhin ist sie die "Zweite der Ostgarde der Goldenen Frau". Ein Gewissenskonflikt wirft sie aber aus der Bahn, als ihr Bruder beabsichtigt, den ihm zugedachten gesellschaftlichen Rang nicht zu akzeptieren.
Was dann folgt, ist für Leserinnen und Leser, die es etwas genauer nehmen, nicht unbedingt leicht verdaulich. Einerseits ist ihnen die Hauptdarstellerin sympathisch, andererseits machen sie ihre weltanschaulichen Überzeugungen eher unsympathisch, in der Hauptsache begründet durch einen Verrat, der durch eine wankelmütige Doppelmoral auch nicht besser wird.
Monika Loerchner macht es uns also nicht leicht. Insbesondere mit einigen Fallstricken in der von ihr gewählten Erzählperspektive. Mit einem Seufzen die Augen wieder aufzuschlagen oder das Kinn zu recken sind Beobachtungen eines imaginären Erzählers. Diese wirken (nicht nur) in der Ich-Form genauso problematisch wie die Formulierungen "Ich schaue sie mit einem Hauch Empörung an" oder "Ich schürze die Lippen". Hinzu kommen ärgerliche Rechtschreibfehler, die ein Lektorat nicht übersehen darf.
Insgesamt schildert die Autorin ihren Schauplatz glaubwürdig und in großen Worten, wobei das "Goldene Reich" andererseits recht übersichtlich zu sein scheint. Kirchen wurden übrigens alle (bis auf eine Ausnahme) zerstört und die Religion des "frauenfeindlichen" Gottes durch eine alberne "Göttin" ersetzt, die auch Helena über alle Maßen verehrt. Eine ganze Reihe guter Einfälle, insbesondere was die magischen Fähigkeiten der Frauen betrifft, verleihen dem Buch eine gewisse Originalität.
Leider passiert am Ende das, was einfach zu oft geschieht. Man spürt es mit Unbehagen, wenn die verbleibenden Restseiten immer weniger werden. Es muss eine entscheidende Wende kommen, aber wie soll das so schnell geschehen? Dementsprechend knapp ist dann die Auflösung, wenn auch nicht ganz unvorhergesehen. Zurück bleibt die Gewissheit, dass man aus diesem Stoff wesentlich mehr hätte machen können, aber andererseits für ein paar Stunden gut und anders als gewohnt unterhalten worden ist.
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