Heaven, My Home
von Attica Locke
328 Seiten © 2020 Polar Verlag, Stuttgart www.polar-verlag.de ISBN 978-3-945133-91-0
Es gibt einiges zu tun, "bevor das Trump-Justizministerium die Arische Bruderschaft mit einer Art Ehrengarde verwechselt". Darren Mathews, afroamerikanischer Texas Ranger, hatte den Außendienst quittiert, um im Büro der Texas Rangers in Houston einen Schreibtischposten anzunehmen. Im Rahmen der "Sondereinheit zur Arischen Bruderschaft" war ihm die digitale Überwachung der rassistischen US-amerikanischen Gang unterstellt.
Lieutenant Fred Wilson hat jedoch andere Pläne mit ihm und beauftragt ihn mit der Aufklärung eines Verbrechens, von dem man nicht einmal weiß, ob es überhaupt eines ist. Levi King, ein neunjähriger Junge, ist seit über zwei Tagen verschwunden. Was die Sache nicht gerade einfacher macht, ist die Zugehörigkeit der Eltern zur Bruderschaft. Levis Vater Bill "Big Kill" King sitzt gerade eine zwanzigjährige Haftstrafe ab. Darren Mathews muss somit an die "Front" einrücken ...
... wobei die Ermittlungen in ihm nicht wohlgesonnenen Kreisen fast noch das geringste Übel darstellen. Eine Eheberatung bringt ihn zu Frau Lisa zurück, die Rettung seiner Ehe scheint in greifbarer Nähe zu sein. Und da wäre noch die Sache mit seinem Freund Rutherford "Mack" McMillan, den er in der Mordsache Ronnie "Redrum" Malvo, einem Mitglied der Arischen Bruderschaft, deckt. Zu allem Überfluss wird Mathews auch noch, auf sehr subtile Art und Weise, von seiner Mutter erpresst, die auf dem Grundstück der Mathews die Mordwaffe fand und in einem Versteck hütet!
"Heaven, My Home" ist kein Kriminalroman im üblichen Sinn. Er bietet weitaus mehr als geradlinige Ermittlungen nach einem Verbrechen, die irgendwann zu einem mehr oder weniger erfolgreichen Ende führen. Attica Locke bezieht neben aktuellem politischen Bezug und gesellschaftlicher Entwicklung auch deren Ursprünge mit ein. Den weit verzweigten und ebenso gefestigten Rassismus in all seinen monströsen Schattierungen, begünstigt durch wuchernde Metastasen grenzenloser Dummheit gesellschaftlicher Strukturen und Gruppierungen, die wie eh und je das eigene Elend stets auf andersartige und gerade verfügbare Spiegelbilder projizieren, beleuchtet sie scheinbar nebenbei - und wichtiger noch - von beiden Seiten.
Die Dichte ihrer Charakterisierungen sind, wie auch der leidige Konflikt zwischen Schwarzen und Weißen, fast körperlich spürbar, wobei es die stets reflektierende Autorin Leserinnen und Lesern nicht unbedingt einfach macht. Die Feindbilder sind klar, der Frontverlauf jedoch nicht. Wer sich auf einen Kriminalroman, der weit über geregelte Unterhaltungselemente hinausgeht, einlassen kann, ist hier genau richtig.
Es ist nicht nur ein Lesen, es ist ein Erleben. Mit einem Boot durch den Zypressenwald am Caddo Lake Osttexas zu fahren, der "älter als die Zeit" ist, mit Zydeco und Blues von Beau Jocque, Little Milton, Lightnin' Hopkins oder Jessie Mae Hemphill im Ohr, erzeugt so etwas wie ein ehrfürchtiges Staunen. So als ob sich irgendwann doch noch alles zum Guten wenden könnte.
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