Literatur

Gedichte erinnern eine Stimme

von Sigurður Pálsson


130 Seiten
© the estade of Sigurður Pálsson
© der deutschsprachigen Ausgabe 2019 ELIF VERLAG / Nettetal
www.elifverlag.de
ISBN 978-3-946989-16-5



Wie spannend es ist, einen neuen Gedichtband aufzuschlagen! Wie wird es sein, die ersten Zeilen zu lesen? Öffnet sich eine Tür, eine unbekannte gar, oder knallen sie einem den Zugang vor der Nase gleich wieder zu, so nach dem Motto: "Was willst du denn? Was hast du hier zu suchen? Schaust du wieder nur nach den Kleidern, die ich trage? Hinfort mit dir. Dummkopf!"

Nachdem also die "Formalitäten" (welche der Rezensent so liebt) geklärt sind, kann es mit "Feuer und Schatten" losgehen. Und es fängt gut an. Richtig und noch viel wichtiger: Man versteht die Worte, die Zeilen, sogar gleich, unmittelbar und fast ein wenig zu viel. Barrierefreier Zugang.

Man hört die Angesprochenen schreiben, singen, philosophieren ... und jene Stimme. Ein Weiterlesen ist für den Moment gar nicht möglich. Innehalten ist angesagt, um den Stimmen zu lauschen. Eine wohlige Erkenntnis muss erst einmal gemütlich Platz nehmen: Ein besonderes Buch hat begonnen.

Oft ist diese Erkenntnis doch nur Vermutung, was "Wörter und Träume" sofort widerlegen. Jene Hochzeit, die es im Leben des Dichters schon gab, bevor er denken konnte. Jeder, der es nicht glaubt, bekommt es hier schriftlich.

"Schattiges Glück" ist ein Gedicht, eine Geschichte oder wie auch immer. Man kann diese Zeilen gar nicht richtig lesen. Im üblichen Sinne. Man erlebt sie. Insbesondere dann, wenn man diese fliegenden Blätter aus der eigenen Lebenserfahrung kennt. Es gelingt leider nicht immer, die flüchtigen Sterne komplett wieder einzufangen. Wohl deshalb hat das Glück einen Schatten.

Was als freundlich-unverbindliche Empfehlung zu verstehen ist: Diese drei Gedichte reichen für einen Leseabend völlig aus. Drei Seiten sind genug für eine Nacht voller Worte, deren Nachklang in den Schlaf begleitet, der sich zunächst aber ziert und wehrt und verlangt, die ausgelöste Gedankenflut wenigstens in Ansätzen zu Ende zu denken.

"Gedichte erinnern eine Stimme" zu lesen, kann also dauern. Denn "weglesen", wie man es neuerdings so unsäglich formuliert, kann man dieses Wunderwerk nicht. Weglegen aber eigentlich auch nicht. Selbst wenn es geschlossen ist, klingt es nach. Es geht mit, über die Wiesen, zu den Bäumen und Hand in Hand mit jenen, die das Staunen noch nicht verlernt haben, und weit über den Horizont hinaus.

Immer auf der Suche nach etwas, was vielleicht längst gefunden wurde. Und doch sind wir

"Menschen mit einem Gewirr von Wurzeln
die Erde auf den Bürgersteigen suchen"

Vielleicht ist die Lösung in greifbarer Nähe. Viel weniger weit weg als wir denken. Offensichtlich und viel zu einfach. Der Blick in die Ferne trübt die Sinne. Um so leichter schaut man vorbei. Es ist der neue Tag. So selbstverständlich und doch ein Wunder. Und er bietet unendliche Möglichkeiten an:

"Neues Staunen
neue Neugier"

So etwas Ähnliches wie ein Fazit: An "Gedankentischen" sitzen wir, um zu lernen, wer oder was sich "hinter den betrügerischen Gestalten" verbirgt und allzu leicht übersehen wird ...

Das tut gut.

 

Thomas Lawall - Juni 2019

 

 

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