Gallo Rosso Kilian und Heinlein sind zurück
von Roman Rausch
302 Seiten © Schruf & Stipetic GbR, Berlin 2020 www.schruf-stipetic.de ISBN 978-3-944359-51-9
Vor zehn Jahren erschien mit "Die Seilschaft" der siebte Teil der Reihe um die Kommissare Kilian und Heinlein, und nun treffen sich die ehemaligen Kollegen wieder. Ausgerechnet in Venedig soll es sein, und die Ziele, die sie verfolgen, sind deckungsgleich.
Vor Eskalation und Auflösung der Geschichte ahnen jedoch beide nicht, was sie erwarten würde. Auch ein Wiedersehen war so und eigentlich überhaupt nicht geplant. Auch die Suche nach "Gallo Rosso", einer mysteriösen Verbrecherorganisation, die beide zunächst unabhängig voneinander betreiben, nicht, wobei es sich erst noch herausstellen muss, ob sich das Ganze am Ende nicht um ein "Mafia-Märchen à la Hollywood" handelt.
Die höchst unterschiedlichen Startpunkte der Fahndungen markieren für Heinlein, inzwischen Polizeipräsident, der Selbstmordanschlag auf einen ICE in Würzburg, und für Kilian, den Ex-Kommissar, eine Observierung und Verfolgung eines Mafioso in Neapel, um den Mord an seiner Freundin Pia aufzuklären.
Roman Rausch wählt unangenehme, ja beunruhigende Bühnenbilder, die seinen Plot auf sehr markante Weise unterstreichen, indem er immer wieder reale Ereignisse mit fiktiven verbindet. So erinnert das ICE-Attentat in Würzburg an den tatsächlichen Anschlag in einer Würzburger Regionalbahn im Jahr 2016. Es folgten Nizza, München und Ansbach.
Vor dem Hintergrund der Anschläge in Hanau 2020 entwickelt sich ein erschreckender Realitätsbezug sowie eine Bestandsaufnahme aktueller Entwicklungen in weiten Teilen der Bevölkerung:
"Was sich da in Deutschland zusammenbraut ..."
Das "gesunde" Volksempfinden wird zusehends umformuliert und populistische Führermentalitäten, die "braune Brut", gewinnen weiter an Einfluss. So bleibt auch ein massiv erhobener Zeigefinger in Richtung soziale Medien nicht aus, was der Autor immer wieder in ebenso kurzen wie prägnanten Worten zusammenfasst:
"Erregungstheater, Angst- und Panikmache, Klickraten."
Lesenswert sind aber auch seine, wie nebenbei hingeworfenen, leider viel zu kurzen Stimmungsskizzen, die dafür aber um so mehr im Gedächtnis haften bleiben. Egal ob es sich um jene Morgendämmerung in Rom handelt, "wenn das eine Laster zu Bett geht und das andere noch ruht", oder die wegen der "anrückenden Seuche" ausbleibenden Touristenmassen in Venedig, "aber auch der Modergeruch in Gassen und Kanälen verflüchtigte sich, der Duft Venedigs".
Wer anspruchsvolle Kriminalromane liebt, politische und gesellschaftliche Verweise nicht als anstrengenden Hürdenlauf definiert, Grundrechte und Corona-Pandemie nicht in den braunen Mixer wirft oder sich für die hinreißende Charakterisierung von Heinleins Sekretärin Uschi interessiert, darf in Sachen "Gallo Rosso" gerne zugreifen.
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