Literatur

Foto to go

von Rudi Hurzlmeier


204 Seiten
© 2024, Göttinger Verlag der Kunst GmbH, Göttingen
www.gvdkunst.de
ISBN 978-3-945869-25-3



Alle, die Überraschungen lieben, sind hier genau richtig. Und wer den in München lebenden und arbeitenden Maler Rudi Hurzlmeier kennt, erst recht. Bekanntermaßen ist er ja nicht nur ein ziemlich komischer Künstler, sondern auch ein Meister der ebensolchen Kunst.

Der mehrdeutigen Auslegung des simplen Adjektivs "komisch" wird er in seinem neuesten Streich wieder einmal mehr als gerecht. Fotografien? Ja was denn, wie denn, wieso und warum? Geht das denn schon wieder los, oder sollen wir uns gar freiwillig in Rätselhaft begeben?

Bekanntlich können Rätsel aber sehr viel Spaß machen und ebnen, insbesondere in der Kunst, ebenso tiefgründigen wie weitläufigen Interpretationsspielraum. Korrespondenz in der Kunst ist wahrlich kein alltägliches Thema, da sich der Begriff im herkömmlichen Sinn schlicht auf einen Briefwechsel bezieht. Wie soll also eine Korrespondenz in der Kunst funktionieren, und dann noch mit so etwas "Einfachem" wie Fotos.

Es lohnt sich, darüber einmal nachzudenken. Was ist los mit diesen Bildern? Sind es nur passive Abbilder oder tun sie etwas? Nehmen sie einander wahr? Schreiben sie sich eine Nachricht? Bekommen sie sogar Antwort? Können sie gegenseitig falsche oder unvollständige Betrachtungsweisen diskutieren? Wie dem auch sei, es passiert unvermittelt Seltsames.

Und dies ist die erste große Sache die auffällt, der erste große Gewinn dieses Buches, denn die Fotos machen etwas mit uns, was vielleicht bei erster Durchsicht gar nicht recht auffallen mag.

Beispielsweise die Gegenüberstellungen auf den Seiten 20+21, 50+51 oder 58+59. Man muss schon reichlich um die Ecke denken, um diesem gewissen Etwas auf die Schliche zu kommen.

Sehr viel besser gelingt es auf den Seiten 42+43. Es entsteht der Eindruck, neben vielen anderen, es könne sich um ein und die selbe Frau handeln, welche sich jedoch jeweils in anderen Epochen bewegt. Doch egal, wie man sich entscheidet, steht eines fest: Die Bildaussagen sind intensiv und nachhaltig. Sie haben eine seltsame Art der Gemeinsamkeit die bleibt, also von Dauer ist.

Landschaften spielen hier selten eine tragende Rolle, da stets Mensch und Tier die Hauptbezugspunkte darstellen. Ohne diese bleibt alles leer, statisch und ohne Bezug. Eine eher traurige Realität. Vielleicht sogar eine sinnlose. Und voller Fragen. Aber was soll's, denn sie sind eh allesamt frei erfunden, womit wir gezwungen sind, diese gefälligst auch selbst zu beantworten.

Das Wesen der Fotografie ist einerseits der Zwang zur Reduktion der Dimensionen. Stets sind es Momentaufnahmen aus dem dreidimensionalen Raum, welche in eine Zweidimensionalität gezwungen werden. Lebendige Momente werden eingefangen, eingesperrt und inhaftiert. Eigentlich ein Betrug, denn was abgebildet wurde, existiert in dieser Form und in diesem Zeitabschnitt gar nicht mehr.

Andererseits entwickeln Hurzlmeiers "überwiegend im Vorübergehen" geschossenen Fotos in der gewählten Zusammenstellung ein verblüffendes Eigenleben. "Fotos to go" sollen das sein. Mehr oder weniger also so etwas wie "auf gut Glück" entstandene Zufallsprodukte, was man allerdings dem Künstler nur bedingt glauben mag.

Die in den letzten 30 Jahren entstandenen Fotos, also jener "Schuhkarton voll", befinden sich nunmehr sozusagen in bester Gesellschaft, und haben zudem auch noch jede Menge Zuschauer/innen. Und genau diese, der Rezensent ist sicher keine Ausnahme, werden ein ums andere Mal damit beschäftigt sein, die Bilder immer wieder anzuschauen, um herauszufinden, in wie weit sich die Korrespondenz weiterentwickelt hat.

Manchmal jedoch auch, um eine solche erst einmal zu entdecken. Das ist so rätselhaft wie spannend zugleich. Bildaussagen sind folglich keine festen Größen. In der Kommunikation mit ihresgleichen und in Kombination mit der Phantasie der Betrachter/innen ergeben sich neue Horizonte.
 
Alles klar also? Alles. Ausgenommen jene "sieben Kleinigkeiten", die nicht echt sein sollen. Hätte der Rezensent gerne gefunden, zumal er sie dann, laut dem Fotografen, hätte behalten dürfen. Ist aber leider, bis auf drei bis vier vorläufige Verdachtsfälle nicht der Fall, was bedeutet, dass die Suche weitergeht.

Somit lädt "Foto To Go" also nicht nur zum Betrachten und der freien Interpretation ein, sondern auch zu einer interaktiven Teilnahme! Ein Geniestreich mit Folgen. Sehr gelungen!

 

Thomas Lawall - Februar 2025

 

 

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