Literatur

Flecken

von Stefan Kalbers


192 Seiten
1. Auflage März 2012
©opyright 2012 by Autor
www.stefankalbers.de
www.unsichtbar-verlag.de
ISBN 978-3-942920-10-0



Herrlich, wenn man seinen eigenen ICE zur Verfügung hat und damit auch noch Hilfe zur Selbsthilfe leisten kann. "Tonnenschwerer Stahl macht sich auf den Weg, all die unglücklichen Seelen abzuholen." Der Zugführer hat kein Problem damit. Ganz im Gegenteil. Glücklich ist, wer helfen kann ...

Was aber gar nicht geht, ist eine "Zeugung aus niederen Beweggründen". Jeder Autofahrer muss einen Führerschein machen, und vor einer Berufstätigkeit ist gefälligst eine ordentliche Ausbildung abzuleisten, aber jeder Depp kann sich fortpflanzen. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Deshalb kann es hier nur die Höchststrafe geben. Lebenslang nackt putzen gehen und die Sache mit dem Presslufthammer ...

Nichts ist unmöglich. Auch für die aussichtslosesten Fälle gibt es überraschend simple Problemlösungsstrategien. Ganz übel dran sind ja bekannlich Psychologen. Nicht so Goretzki, Paul. Er hat die Kernproblematik seiner Patienten verstanden. Es ist immer das gleiche Schema, nur mit ständig wechselnden Kulissen. Dumm nur, dass die Sitzungen somit in gewisser Weise langweilig werden. Man müsste das irgendwie abkürzen können. Mit einer Tasse Kaffee vielleicht ...

Manchmal geht aber auch gar nichts. Nicht mal kleinste Fluchten aus dem Alltag. Das Leben und die, die es steuern, versprechen Erfüllung und Glückseligkeit. Im Morast von Pflichterfüllung und Dummheit gedeiht Mutlosigkeit und Resignation. Den Schritt zur Seite wagt man nicht, selbst wenn man den Ausweg in greifbarer Nähe wähnt. Dumm, wenn dann die zuständigen Behörden auch noch den "Antrag auf ein glückliches Leben" ums Verrecken nicht bearbeiten wollen ...

Antworten finden wir auf so wichtige Fragen wie, warum rostige Dosenöffner nicht nur Erbsensuppe, sondern auch finale Wege eröffnen können, warum ein Bassist, der einen Mini-Verstärker in die Trommel einer Waschmaschine stellt, beim Arbeitsamt als vermittelbar gilt und pro Woche 42 Liter Alkohol trinken muss, warum Inka, die Religion und Firlefanz auf Lehramt studiert, gerne Spermapröbchen analysieren lässt und weshalb Hollywood "die Fortsetzung der amerikanischen Außenpolitik mit anderen Mitteln" ist.

Ja genau, das sind die Geschichten, die der Welt gerade noch gefehlt haben. Brachiale Satiren am Stück, serviert an beißendem Zynismus, blutig und zitrönchengarniert. Ein Rundumschlag gegen den schöngefärbten literarischen Einheitsbrei, der sich täglich aus den diversen Bestsellerlisten quält. Das Lachen bleibt einem im Halse stecken, gefriert und macht Angst, denn über allem steht diese Aussichtslosigkeit. Äußerst ansteckend für notorische Melancholiker wirken Zeilen, erdacht von einem, der ungefragt ins Leben geworfen wurde und sich ohne Ende fragt, was das alles soll, wohin das alles führt und dass diese ganze Scheiße wenig Sinn macht.

Mit einer erfrischenden Vehemenz und unverbrauchten Gleichgültigkeit gegenüber jeder Konvention, zelebriert Stefan Kalbers mit "Flecken" ein Feuerwerk der Absonderlichkeiten. Und er feuert aus allen Rohren. Ungebremst, schamlos, gewalttätig und ohne Gnade schwingt er seine Feder, die man in jeder Zeile gnadenlos kratzen hört.

Moralvorstellungen darf man gerne vergeblich suchen und wer nette Geschichten für die kleine Langeweile zwischendurch sucht, sollte schleunigst das Weite suchen, oder sich am nächsten Bestsellerregal mit der erstbesten Belanglosigkeit das Resthirn defragmentieren.

Stefan Kalbers skizziert und seziert menschliche Abgründe. Ohne Gnade. Warum auch. Stimmt ja alles. Und unverschämt ist es nur insofern, als die gähnende Masse bloß nicht hören will, wie es wirklich um sie steht. Na gut, um was es auf dem Planeten so insbesondere eventuell möglicherweise geht, weiß eh niemand. Höchstens der Papst. Weil ich den aber nicht verstehe, kann ich mich auch mit Stefan Kalbers beschäftigen, der mir ebenfalls keine (endgültigen) Antworten geben kann.

Ertappt! Ja gut, ich gebs zu. Es geht mir gut. Okay, aber ich weiß ganz genau, dass das wieder vorbei geht.

Alles klar?

 

Thomas Lawall - Juni 2012

 

 

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