Fickt Euch alle
Kurzgeschichten von Niklas Hughes, Dirk Bernemann, Stefan Gaffory, Andy Strauß, Susann Klossek, Christoph Straßer, Jan Off, Christian Ritter, Andrea Mohr, Stefan Kalbers, Alex Gräbeldinger
96 Seiten 1. Auflage März 2012 Alle Rechte liegen bei den Autoren www.unsichtbar-verlag.de www.gonzoverlag.de
Paranoia bedeutet bekanntlich nicht automatisch, "dass nicht doch jemand hinter dir her ist". Stimmt genau! Und deshalb müssen wir handeln. Die Uhr ist high, was noon? Die Bedrohung ist eine real existierende: "Pflanzen sind überall und nicht kleinzukriegen." Dabei ist es völlig egal, ob es sich um Algen im Aquarium, die Pilzzucht in der Dusche oder um den verdammten Regenwald handelt. Heerscharen von Holzfällern können ein Lied davon singen, wie schwierig es ist, dem verschlungenen Grünzeug beizukommen, was "experimentelle Massenrodungen" eindrucksvoll belegen!
Ohne das Millionenheer der leichtfertig verurteilten Sippe der sog. Spießbürger, die sich mit Heckenscheren sowie anderem schweren Gerät der Plage entgegenstellen und somit unseren schönen blauen Planeten verteidigen, wären wir längst verloren. Die Zeichen stehen auf Sturm. Die Elemente stellen sich gegen uns. Und die Vögel, das sind die Schlimmsten. Milliarden unverdauter Pflanzensamen drücken sie täglich aus ihren lächerlich unterentwickelten Verdauungsapparaten und hinterlegen die keimfähige Pest völlig unauffällig und so im Vorbeiflug in jede erdenkliche Ritze, die von Wind und Wetter mit dem notwendigen Basismaterial vorsorglich behandelt wurde. Kleinste Prisen Staub und Erde reichen aus, um kahle Landstriche, nette Reihenhauskolonien, ordentliche Einfamilienhausreservate oder angenehm schlicht gehaltene Hochhausanlagen in eine massiv aufkeimende Bedrohung zu verwandeln. Regen, Luft und Sonne ergänzen den Teufelskreis und in kürzester Zeit würden wir in einer grünen Hölle ersticken.
Längst haben wir die Übersicht verloren. Der drohende Imperialismus der Pflanzendiktatur gerät außer Kontrolle. Wir wissen ja nicht einmal, wieviel Arten uns inzwischen bedrohen. Sind es 300.000, 400.000 oder sogar weitaus mehr? Es muss etwas passieren. Jetzt! Längst haben sie einen Großteil unseres wertvollen Lebensraums erobert. Das Pflanzenreich erstreckt sich inzwischen 5000m über und unter dem Meeresspiegel, und damit haben sie genau den Bereich erobert, den wir Menschen als Wohn- und Lebensraum so dringend benötigen. Die Völker der Erde müssen sich vereinigen. Mit einem gemeinsamen Nein zu jeder Klimakonferenz und mit einem Ja zur Solidarität mit Esso. Und Schluss mit der Spritsparerei und dem Elektroauto!
Die Oppression der Pflanzen ist durchaus intelligent und sprengt sogar jeden zeitlichen Rahmen. Ihre Agression hat sich inzwischen bis in die vierte Dimension ausgeweitet. Sie haben ihre Reihen längst aufgestellt. Ihre Armeen beobachten uns und führen damit einen Krieg, der sich vor unseren Augen viel zu langsam abspielt, um von uns bemerkt zu werden. Bis zum finalen Schlag haben sie alle Zeit der Welt. Als der gemeine Neandertaler die erste Beere gepflückt hat, erklärten die Pflanzen uns den Krieg. Er tobt bis heute, doch das ist erst der Anfang. Ein friedliches Zusammenleben ist nur ein schöner Schein, denn die grünen Imperialisten haben Größeres vor, sehr viel Größeres ...
Andere auch. Zum Beispiel ein autistischer Autopilot auf einer Buchmesse, ein vorlauter Kundenschreck an einer Supermarktkasse, einer der auszog, um sich neue Feinde zu suchen, und einer Gedankenwanderin. Angenehm Abnormales kann sich auch zutragen, wenn ein Babysitting einen unerwarteten Ausgang nimmt, wenn sich Irrationales nach einer durchzechten Nacht summiert, wenn menschliche Beuteltiere den Überblick verlieren, wenn der Alltag in einer Beziehung exzessiv eskaliert, wenn sich zwei Schwachstrombirnen vereinigen, wenn Leben mit dem Tod beginnt und wenn radikale Linke ins Wachkoma fallen.
"Fickt Euch alle" ist ein handfestes Stück Zeitgeist, eine schräge Hommage an den Irrsinn des Lebens, ein gepflegt-radikaler Ratgeber für alle Lebenslagen, eine deftige Portion Widerstand, eine hinterfotzige Kampfansage an die real existierende Normalität sowie eine kaltschnäuzige Abrechnung mit jenen Mechanismen, die uns steuern (wollen).
Die elf Autorinnen und Autoren erlauben sich genussvoll die eine oder andere Grenzüberschreitung, wobei die Vielfalt der jeweils dargebotenen Katastrophenszenarien einerseits radikal, andererseits aber nicht ohne einen gewissen Unterhaltungswert überzeugen kann. Den außerordentlich unterschiedlichen Ansatzpunkten, Sichtweisen und Standpunkten der versammelten Schreiberlinge steht eine tragende Gemeinsamkeit gegenüber, ohne die der gemeine Freigeist nicht mehr zu überleben in der Lage ist: Humor. Wenn auch der mitunter brachialen Art.
Wenn gar nichts mehr geht, dann wird wenigstens brutal abgelacht und der Mittelfinger in den Himmel gestreckt. In diesem Sinne: "Fickt Euch alle!
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