Literatur

Faltenfrei
Ein Mödling-Krimi


von Gerlinde Friewald


256 Seiten
© Sutton Verlag GmbH
www.sutton-belletristik.de
ISBN 978-3-95400-214-6



Verspottet hatte er sie einst. Sie gingen gemeinsam zur Schule, und damals wusste er nicht, was er tat. Ihre Leibesfülle entsprach nicht der Norm, passte nicht in sein Schema. In das der anderen auch nicht, und gemeinsam sang man Spottlieder ...

Heute ist Doktor Nick Stein Kriminalpsychologe, ein "Profiler" mit glänzendem Ruf. Er gilt als genialer Ermittler und Analytiker, der seine Talente schon am Anfang seiner Karriere beweisen konnte, indem er sich an der Aufklärung spektakulärer Fälle maßgeblich beteiligt hatte. Die Medien sorgten für zusätzlichen Auftrieb, sodass "Mister Profiler" auch weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt geworden war.

Ein aktueller Fall katapultiert ihn in die Vergangenheit zurück. Zu später Stunde wird er zu einem "Einhundertsieben" nach Mödling gerufen. Als die Leiche am Tatort umgedreht wird, traut er seinen Augen nicht. Die Ermordete ist Susanne Rippel, seine ehemalige Schulkollegin.

Seine Ermittlungen beginnen mehr oder weniger zufällig im "Echtzeit living-room", an dem er auf dem Weg vom zuständigen Revier zu seinem Wagen vorbeiläuft. Völlig überraschend stellt sich sein ehemaliger Schulfreund Daniel Bachinger als Besitzer dieses Lokals heraus. Auch seine anderen Kameraden von damals verkehren hier regelmäßig, wie er erfährt. Die Begeisterung Nicks hält sich aber in Grenzen ...

... was sich sofort ändert, als Daniel berichtet, dass auch Susanne hier regelmäßig verkehren würde. Fast täglich käme sie nach der Arbeit vorbei. Sie hätte sich sehr verändert. Im Gegensatz zu früher sei sie sehr lebhaft und stets gut gelaunt. Auch beruflich hätte sich sehr viel getan, denn ihr sei der Aufstieg zur Chefin der Marketing-Abteilung eines Industriezentrums gelungen.

Daniel reagiert sehr betroffen, als Nick vom gewaltsamen Tod von Susanne berichtet. Bei dem Profiler jedoch beginnt sich das Karussel zu drehen. Die ersten Bankauskünfte gestalten sich ernüchternd, und auch bei den Recherchen an ihrer Arbeitsstelle ergibt sich Erstaunliches. Sie war keineswegs Chefin, sondern nur Sekretärin bei einem Werbemanager ...

Nun muss man sich, was die Sutton-Krimi-Reihe betrifft, nicht selten auf handfeste Überraschungen gefasst machen. So auch hier, denn "Faltenfrei" überrascht gleich auf mehreren Ebenen. Die Figur des Nick Stein ist als Paradebeispiel des intelligenten Ermittlers gezeichnet, der mit psychologischer Raffinesse denkt, beobachtet und handelt.

Neben aller Feinfühligkeit und einem geübten Auge verfügt die Autorin auch über einen staubtrockenen Humor. Dem neugierigen Leser will ich an dieser Stelle aber keine einzige Pointe verraten, da ich nicht als Spaßverderber unterwegs sein möchte.

An anderer Stelle fasziniert Gerlinde Friewald durch feinsinnige Beobachtungen der Körpersprache, die in einem einzigen Augenblick weitaus mehr verraten kann, als seitenlange Dialogkonstruktionen. Hier wächst die Hauptfigur des Kriminalpsychologen über sich hinaus, denn aufregender kann sich Ermittlungsarbeit nicht gestalten. Die weiteren Charaktere müssen sich dennoch nicht verstecken, denn Profi Nick ist sich der Wichtigkeit seiner Kollegen und deren unterschiedlichen Aufgaben und Funktionen jederzeit bewusst.

Gerne wirft er auch ein Auge auf Frauen im Allgemeinen und selbige konzentrieren ihre Fantasien gar nicht mal so selten auf ihn. Fast könnte man ihn schon ein wenig bedauern, denn sie liegen ihm gleich reihenweise zu Füßen. Kompliziert wird es, wenn es im ermittelnden Team ordentlich funkt. In diesen heiklen Angelegenheiten geht "Faltenfrei" ebenfalls über das gewohnte Maß hinaus, indem einmal die Damen der Schöpfung als treibende Kräfte herausarbeitet werden. Die vermeintlichen "Objekte" können sehr wohl den Spieß einmal ordentlich herumdrehen!

Die diversen Liebschaften und deren Vollzug können fast vom Haupterzählstrang ablenken, dieser wiederum ist derart aufregend gestaltet, dass die Gefahr, zum Voyeur zu verkommen, letztlich nicht gegeben ist. Denn es gibt auch die andere Seite der Medaille. Wenn diverse Kellerräume aufgesperrt werden, öffnen sich Abgründe ...

Gerlinde Friewald formuliert unmittelbar und klar. Es geht ordentlich zur Sache und dies in jeder Hinsicht. Authentische Charakterisierungen, ausgefeilte Ermittlungstaktik, buntes Treiben im privaten Bereich, schwarzer Humor und lähmendes Entsetzen formieren sich zu einem nicht alltäglichen Leseerlebnis.

Frisch, frech, falten- und fast nicht jugendfrei.

 

Thomas Lawall - Dezember 2013

 

 

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