Literatur

Fahrplanmäßiger Aufenthalt


von Franz Hohler


110 Seiten
© Luchterhand Literaturverlag, München
www.luchterhand-literaturverlag.de
ISBN 978-3-630-87639-9



Was die Welt zu bieten hat, bleibt nicht selten im Verborgenen, wird ignoriert oder schlicht übersehen. Vielleicht ist die Vielfalt, jenes Übermaß an Dingen, Eindrücken und das, was es neben eingleisigem Existieren, auch Leben genannt, schlicht und einfach des Guten zu viel?

Warum stürzen so viele in die Falle der Belanglosigkeit, tun dies vielleicht sogar ganz bewusst, und wundern sich dennoch über die Leere und das sichere Gefühl, irgend etwas permanent zu verpassen? Oder gehört das alles zu jenen "Schäden", die uns Franz Hohler auf Seite 22 vorstellt?

"Es gibt Wörter, nach denen dreht man sich um."

Der Rezensent will hier das entzückende Wort nicht verraten, welches auch als Titel dieser kleinen Geschichte funktioniert. Es entstammt zweifellos dem Schatzkästlein amtsdeutscher Formulierungskunst und taucht in gewissen Verträgen auf. Der Autor hat sich dieses Wort genommen und es nahtlos in seine Befindlichkeiten integriert. Leserinnen und Leser werden sich spätestens beim nächsten Arztbesuch daran erinnern.

Sicherlich erinnert man sich auch an den "Weltbeobachter", an seine  Botschaft, und seinen denkwürdigen Fernsehauftritt, unterstützt von einer ganz speziellen Körpersprache, nacherzählt in einer nur zwei Seiten umfassenden Geschichte, die mit einem einzigen Satz ganz gut zurechtkommt. Eine Spezialität Hofers übrigens. Sätze, vollgepackt wie Urlaubskoffer.

Gute Überleitung, denn das Reisen spielt eine tragende Rolle. Vielleicht sogar die führende. Doch dieses Umherfahren findet nicht nur auf der Landkarte statt, denn das ganzheitliche Sehen fährt immer mit. Ein sinnfreies Abhaken der sogenannten Sehenswürdigkeiten ist für den Autor undenkbar. Nichts geschieht ohne Grund, obwohl jener nicht nur schwer, sondern mitunter gar nicht zu verstehen ist.

Raum wird nicht nur Beobachtungen, sondern auch dem Augenzwinkern eingeräumt. Etwa in "Usbekistan", wo es für den Autor eine Premiere der besonderen Art gab, welche er einleitend erwähnt und welche sich auch als Schlusspointe eignet. Die "Globalisierung" hält ebenfalls, in diesem Falle geografische, Überraschungen bereit, oder eine beleidigte "8" kann in "Die Beschwerde" letztlich von höchster Instanz besänftigt werden.

Franz Hohler öffnet Türen, repariert verlorengegangene Zusammenhänge oder stellt einfach neue her, wobei "einfach" hier das Zauberwort ist. Indem er das vermeintlich Unsichtbare klar und unmissverständlich auf den Punkt bringt, werden uns nicht nur Augen und Ohren geöffnet, sondern sogar der Glaube daran, dieses und jenes ebenfalls schon immer so gesehen zu haben.

Mitfahren und Mitsehen mit Franz Hohler ist Freude, Abenteuer und ein Sonnenaufgang für das Bewusstsein zugleich. Dass man Stille plötzlich hören kann, ist da noch das kleinere Wunder ...

 

Thomas Lawall - August 2020

 

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