Es wird Tote geben
von Georg Haderer
328 Seiten © 2013 Haymon Verlag, Innsbruck-Wien www.haymonverlag.at ISBN 978-3-7099-7049-2
Schäfer hält nichts von Bergmanns "hirnrissiger Energiefeld-Theorie". Der ehemalige Kollege aus Wien behauptet ernsthaft, Schäfer hätte einst mit seinen Arbeitsmethoden eine Art Energiefeld geschaffen, welches Straftäter dahingehend beeinflusste, ihn nicht mit langweiligen Verbrechen zu beschäftigen. Das "Kriminalgenie Schäfer" hätte anspruchsvollere Ermittlungsarbeit verdient. Seine Theorie sieht er als bewiesen an, nachdem sich die komplexeren Fälle zeitgleich mit Schäfers Versetzung nach Schaching in Luft aufgelöst haben.
Leider sind sie ihm offenbar nicht in seinen neuen Wirkungsbereich gefolgt. Vielmehr ist nicht besonders viel los in diesem "öden Kaff", "wo jede zweite Straftat von einem begangen wird, der so besoffen ist, dass wir ihn eine Stunde später in einem Umkreis von fünfhundert Metern finden". Ein Trugschluss, wie sich noch herausstellen wird, denn keineswegs kann Major Schäfer in Schaching eine ruhige Kugel schieben. Obwohl er es dringend nötig hätte ...
Der Selbstmord eines 17jährigen Mädchens erschüttert die Gemeinde und bald wird auf entsetzliche Weise klar, dass es sich womöglich gar nicht um einen solchen handelt. Den "Beweis" dazu erhalten Schäfer und seine Leute per Post, und sie trauen ihren Augen nicht. Parallel dazu gibt es noch in einer anderen Sache zu ermitteln, welche bereits etwas länger zurückliegt ...
Einmal mehr überrascht uns Georg Haderer mit einem Kriminalroman, der sich in fast allen Belangen von anderen grundsätzlich unterscheidet. Man spürt die Präsenz seiner Figuren unmittelbar und gleich zu Beginn, auch wenn es am Anfang nicht klar ist, um wen es hier geht. Nach dem Prolog tritt Major Schäfer auf den Plan, und dieses Kaliber dürfte inzwischen jedem Krimifreund ein Begriff sein (sollte dem nicht so sein, rate ich dringend, diese Bildungslücke umgehend zu schliessen).
Der ehemalige Gruppenleiter bei der Mordkommission in Wien ist nunmehr zum Postenkommandant im "Niemandsland" abkommandiert, und zunächst weiß er gar nicht, wie ihm geschieht. Zweifel und unscharfe Erinnerungsfetzen arbeitet Haderer in die Handlung ein und räumt diesen großen Raum ein. Viel Zeit bleibt ebenso für existenzielle Betrachtungen (die auch manchmal böse Seitenhiebe sein dürfen) als auch für eine schlichte, aber eindrucksvolle Beschreibung einer Morgenstimmung. Keinesfalls wird es hier "kitschig", sondern einfach großartig!
Die humoristisch-satirischen Einlagen sind vom Allerfeinsten, wenn sich zum Beispiel Schäfer spontan gegen Motorradfahrer im Wald zu wehren weiß, als Streifenpolizist so gar nicht zufällig einen ganz speziellen Freund aus dem Verkehr winkt, oder sich des Eindruckes erwehren will, Drehbuchautor Sanders und er seien ein Paar! Selbstironisch bezeichnet der Autor seinen Schäfer als "Inspektor Polt auf Valium" und verwendet zuweilen nicht unbedingt zitierfähige Schimpfwörter. Ferner sorgen eine Katze (mit einer ganz besonderen Geschichte) und ein Rabe für eine nicht unbeträchtliche Steigerung des Unterhaltungswertes.
Es gibt nicht viele Kriminalromane wie diese. Ähnlich wie der hoch geschätzte Kollege Manfred Wieninger spielt Georg Haderer in einer eigenen Liga. In diesem Sinne ist "Es wird Tote geben" eigentlich kein Kriminalroman ... sondern ein Haderer eben! Definieren könnte man das Buch auch als Fortsetzung der großen Schäfer-Biografie, welche, wie üblich, mit einem deftig-abgründigen Action-Anteil angereichert ist. Auch einen Ausblick in die Zukunft gibt es. Wenn alle Stricke reißen sollten, wird Schäfer mit Sanders in Düsseldorf eine WG gründen, Kaufhausdetektiv werden und Kriminalromane schreiben ...
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