Literatur

Erde 0

von Micaiah Johnson


415 Seiten
© 2020 by Micaiah Johnson
© 2021 der deutschsprachigen Ausgabe Knaur Verlag
www.knaur.de
ISBN 978-3-426-52558-6



Das hört sich zunächst ebenso mysteriös wie spannend an, wenn es gleich zu Beginn um die Vielfalt der Welten geht. Es gibt ja angeblich unendlich viele davon.

"Welten bis ins Absurde ..."

... philosophiert die junge Cara, aus ärmlichen Verhältnissen stammend, über ihre derzeitige Tätigkeit. Es könnte Welten geben, in welchen nicht nur Abbilder ihrer selbst leben, sondern in völlig anderer Form. Sie könnte dort ebenso als Pflanze oder als Tier leben. Leider sind diese Systeme unsichtbar, denn die von Wissenschaftler und Firmenmogul Adam Bosch erdachte und entwickelte Apparatur "kann nur Frequenzen lesen ..., die unseren ähnlich sind".

Nur diese können betreten werden, aber viel mehr erfahren Leserinnen und Leser über diese Thematik nicht, ebenso wenig über die technischen Voraussetzungen, die es ermöglichen, jene Parallelsysteme zu besuchen. Auswirkungen und Folgen der "Züge" werden in Ansätzen vage umschrieben, was immerhin einen der wenigen triftigen Gründe bedeutet, weiterzulesen. Die eigentliche Prozedur, das "Traversen", "im Nichts zu sein und gleichzeitig im Zentrum von allem", fasziniert zutiefst. Leider nur allzu kurz, denn die Neugier, was den Technikteil betrifft, wird zu keiner Zeit befriedigt.

Was an Fakten zweifelsfrei festzustehen scheint, ist die Tatsache, dass man eine bestimmte Welt nur betreten darf, wenn man dort, völlig egal in welchem Alter, bereits gestorben ist. Ein weiterer Spannungsfaktor, der aber ebenfalls nicht weiter, im Sinne einer wenigstens halbwegs plausiblen Erklärung, erläutert wird. Jedenfalls nicht einigermaßen verständlich.

Die Charakterisierungen sämtlicher beteiligter Personen bleiben genauso farblos, wie die leider völlig vertrackte Handlung, gestreckt durch ein Sammelsurium von Belanglosigkeiten, insgesamt. Rückblenden scheinen ebenso wahllos aneinandergereiht zu sein, wie die diffuse Vorstellung verschiedener Parallelerden. Ob es sich nun um Erde 0, Erde 225 (Caras Lieblingswelt) oder die Nummer 238 oder 319 handelt, ist gleichermaßen verwirrend wie anstrengend. Ebenso die Aufgabenstellung, in den dortigen Back-up-Ports Daten zu sammeln.

Immerhin bildet die Nr. 22 für Caros "erste Erde" einen gewissen Fixpunkt. Kompliziert wird es jedoch spätestens dann, wenn die dort lebenden Charaktere auf alternativen Erden zitiert und beschrieben werden. Dieses Durcheinander ist weder informativ noch in Spuren spannend. Ein roter Faden scheint völlig zu fehlen, und doch muss das Verwirrspiel irgend einen Sinn haben.

Dieser ist am Ende der letzten Seite in etwa erkennbar, wirkt allerdings mühsam zusammengereimt. Das hätte man auch kürzer haben können, was insofern sehr schade ist, da die Thematik um die Existenz von "Alternativwelten" und das damit verbundene "interuniverselle Reisen" ein ungleich größeres Potential besitzt. Trotzdem kann es sein, dass diese, sich in Andeutungen verstrickende Geschichte um Macht und Intrigenspiele, in ihrer für Verwirrung stiftenden Stimmung und dem geheimnisvollen Beiklang, ein dafür geschaffenes Publikum durchaus ansprechen dürfte.

Und wenn nicht hier, dann vielleicht in einem Paralleluniversum?

 

Thomas Lawall - November 2021

 

 

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