Ein Schuss ins Blaue
von Franz Dobler
288 Seiten © 2019 by J.G. Cotta'sche Buchhandlung © 2021 dieser Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München www.heyne-hardcore.de ISBN 978-3-453-67735-7
War ja klar, dass jener "Schuss ins Blaue" die Reise in eine diffuse Geschichte bedeutet und in eine permanent beunruhigende Unbestimmtheit führt, die mit einer kantigen Bedrohung Hand in Hand am Rand eines bodenlosen Abgrunds spazieren geht.
Soll heißen: Die Story ist vage verworren und skizziert die Vorstellung einer unsichtbaren geheimdienstlichen Organisation, die keine ist, aber genau jene Tätigkeiten auszuüben pflegt. Auftraggeber gibt es ebenso keine wie Beweggründe. Sinn und Urheber also unbekannt. Weniger unbekannt sind hübsche sechsstellige Summen, die für erfolgreiche Operationen winken.
Jener ominöse Auftrag landete in jener Sicherheitsfirma, die unter der Führung des Bruders von Ex-Polizist Robert Fallner steht. Besprochen wird die Sache bei einem gemütlichen Grillfest der Familie, "eine heikle Sache, ein Fahrstuhl zum Schafott möglicherweise". Nichts Genaues weiß man nicht ... aber immerhin eine gute Gelegenheit für den Autor, seine Personen vorzustellen.
Derlei Kulissen gibt es viele, und dementsprechend umfangreich sind die Charakterisierungen der handelnden Personen, welche erst einmal wesentlich interessanter sind als der Auftrag selbst und die "Tonne Zweifel", die sich in diesem Zusammenhang ergeben. In erster Linie ist das die vierzehnjährige Nadine, die seit einem Jahr im Haushalt Fallners und seiner Frau Jaqueline, der aktiven Hauptkommissarin, lebt.
Dass das Ganze nach "Ein Schlag ins Gesicht" wieder in eine Milieustudie ausartet, war ebenfalls zu erwarten, und das ist auch verdammt gut so. Das Leben gewinnt immer mehr an Fahrt und rauscht vorbei, als ob es einen guten Grund dafür geben würde. Immer mehr Haltestellen werden abgebaut und ehe man sich versieht, vergisst man an den wenigen Inseln, die es noch wert sind, auszusteigen. Eine davon ist eine heruntergekommene Kneipe namens "Bertl's Eck".
Dort treffen sich die wenigen Eingeweihten, die es noch gibt. Leute, die nichts können oder alles. Die keiner kennt oder alle. Beispielsweise "Punk Armin", jenen "Prediger" mit der schwarzen Lederjacke, 130kg schwer und mit "Metall und Ärger im Gesicht". Tagsüber findet man ihn vor dem Laden des Griechen "Jorgos Stathakos", der ebenfalls nicht auf den Mund gefallen ist. Bei ihm kann man lernen, dass "der beste Sklave des Kapitalismus" die Familie ist.
Jeder Fan der schräg angehobelten Kriminalliteratur findet mit Begeisterung heraus, was dies alles mit der eigentlichen Handlung zu tun hat. Wer Wieninger, Bohnet, Kruse, Wehle, Dutzler, Raab oder Kneifl liebt, verträgt auch und erst recht einen Dobler. "Ein Schuss ins Blaue" ist ein schräger Kriminalromancocktail, angereichert mit je einem kräftigen "Schuss" Polizei, NSU und Ku-Klux-Klan, sowie einem hochprozentigen Anteil an philosophisch-anarchistischer Lebensbetrachtung. Das Buch ist alles, außer gewöhnlich.
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