Dracula – Die Wiederkehr
von Dacre Stoker und Ian Holt
592 Seiten, Hardcover ©EGMONT Verlagsgesellschaften mbH www.egmont-lyx.de ISBN: 978-3-8025-8220-2
25 Jahre sind ins Land gegangen seit die Streiter für das Licht Dracula besiegt haben. Plötzlich stirbt Jack Seward bei einem Unfall mit einer Kutsche und Jonathan Harker wird auf brutalste Weise in London ermordet. Wurde Dracula doch nicht vernichtet? Hat er nun wieder genug Kraft gesammelt um an seinen Widersachern Rache zu nehmen. Durch die Ereignisse erfährt Quincey, der Sohn von Jonathan und Mina, von dem Geheimnis der Ereignisse um den dunklen Grafen. Er beschließt den Feind endgültig zu Fall zu bringen.
Nach über 100 Jahren erscheint jetzt die offizielle Fortsetzung zum ersten der modernen Vampirromane. Sofort fragt man sich: „Wurde Dracula noch nicht genug ausgeschlachtet?“ Dracula – Die Wiederkehr entstand jedoch genau um den endgültigen Ausverkauf zu stoppen, der darauf beruht, dass das Original in den USA urheberrechtlich nicht geschützt ist. Mit der Fortsetzung möchte Dacre Stoker die Rechte an der Figur wieder zurück in die Familie Stoker holen. Da Stoker zudem mit Ian Holt einen versierten Drehbuchautor und Dracula-Experten an Bord geholt hat, war ich durchaus gespannt auf die Fortsetzung. Und es sei gleich gesagt: Dem Autorenteam ist das Unglaubliche gelungen. Sie verknüpfen die Geschichte des Originalromans mit der hundertjährigen Popkulturgeschichte und der historischen Gestalt Vlad III Draculea ohne große Logikbrüche einzubauen.
Ein besonderer Kniff ist der Auftritt Bram Stokers im Roman. Dies erlaubt die konsistente Erklärung diverser Unstimmigkeiten zwischen der Popkulturlegende Dracula und dem Original. Auch bewirkt die Einbettung von historischen Gestalten und Ereignissen in die Fiktion, dass die Ereignisse um den Vampir real erscheinen. Auch wenn die Darstellung der Zeit um 1912 gut gelungen ist, kommt leider nicht mehr das viktorianische Feeling des Originalromans auf. Dafür ist Die Wiederkehr einfach zu modern geschrieben. Dies zeigt sich auch darin, dass die Fortsetzung wesentlich actionreicher daherkommt, ohne die düstere Stimmung und die Geschichte darin untergehen zu lassen.
Mich hat besonders begeistert zu erleben, wie das Leben der Streiter für das Licht durch die Begegnung mit Dracula verändert und geprägt wurde. Welche Traumata die Ereignisse ausgelöst haben, wie die Protagonisten damit umgegangen sind. Die Jagd auf den Vampir aus der Hand der ersten Garde in die Hände derer Nachkommen zu legen, ist eine mutige und sehr gelungene Entscheidung, die dem Buch die richtige Eigenständigkeit zukommen lässt. So wie auch die Ereignisse im Original umgedeutet werden und weitere Vampire – man freue sich auf eine ebenfalls berüchtigte historische Persönlichkeit – das Repertoire deutlich auffrischen. Das Ende des Romans allerdings zeigt das typische Manko moderner Filme. Es ist offen genug um eine Fortsetzung zu erlauben – mit allen wesentlichen Helden und Antagonisten – und gleichzeitig geschlossen genug um die Story hier abbrechen lassen zu können. Dies wird aber dem guten Storytelling des gesamten Buchs nicht wirklich gerecht.
Das einzige große Manko zeigt sich in der übereifrigen Übersetzung von Jack the Ripper als Jack der Schlitzer. Da die englische Bezeichnung im Gegensatz zu der halb eingedeutschten (schließlich wäre Jack im Deutschen Johannes) bekannt ist, ist die Übertragung überflüssig. Zusätzliche Infos zum Entstehen des Romans und zu den Autoren finden sich im sehr interessanten Anhang, den man aber erst nach dem Roman lesen sollte, sonst gehen einige Überraschungen verloren.
Mit Dracula – Die Wiederkehr liegt also eine moderne, spannende und vor allem intelligente Fortsetzung vor, die sich vor dem Original verbeugt ohne in diesem verhaftet zu bleiben. Unbedingt lesen.
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