Literatur

Die rechte Hand des Teufels

von Kim Zupan


336 Seiten
© 2014 by Kim Zupan
© 2014 für die deutschsprachige Ausgabe
bei Knaur Taschenbuch
www.knaur.de
ISBN 978-3-426-51515-0



Manchmal ist es ein einsamer Job im Copper County Sheriff Department. Der junge Val Millimaki ist unterwegs in den Crazy Mountains. Er sucht eine junge Frau, die den Anschluss an ihre Skigruppe verloren hat. Eigentlich kommt es ihm gelegen, denn im Gegensatz zur Arbeit im Gefängnis und dem angrenzenden Gerichtsgebäude liebt er die Arbeit im Freien. Dort, "wo die Landkarten einiger leerer, vergessener Winkel noch reine Mutmaßungen darüber waren, welchen Platz man in der Welt einnahm."

Mit Schneeschuhen in der eisigen Wildnis unterwegs, hofft er vielleicht diesmal Glück zu haben. Manchmal kam es vor, dass er einige Schwerverletzte entdeckte, so wie jenes Kind vor dreizehn Monaten. Doch seit über einem Jahr fand er nur noch Leichen. Die traurige Serie sollte sich fortsetzen, denn schließlich findet er die Frau "unter einer dünnen Schicht Neuschnee, eine topographische Karte ausgebreitet auf der Brust, als wäre sie beim Lesen eingeschlafen". Bevor er sich auf den 15-stündigen Rückweg macht, kann er nichts mehr für die Frau tun, zumal sich heftige Schneefälle ankündigen ...

Den ersten Kontakt mit John Gload hat Val bei dessen Festnahme. Mit den Kollegen Wexler und Dobek an seiner Seite bleibt dem 77-jährigen Ex-Killer nicht die geringste Chance. Die braucht er auch gar nicht, denn sein Anliegen ist ein anderes ...

Wegen der Krankheit eines Kollegen ist Val dazu verdonnert worden, den Nachtdienst im Gefängnis zu übernehmen. Die Nächte sind lang und er muss Langeweile und Klaustrophobie bekämpfen. Er fühlt sich ebenso gefangen wie die Gefangenen in ihren Zellen. Entsetzlich der gelbgestrichene, lange Flur mit den Zellentüren, der aussieht, "als hätte er vor einem halben Jahrhundert eine Galleflut über sich ergehen lassen".

Die Gespräche mit John Gload beginnen. Eine Gemeinsamkeit scheint sie zu verbinden. Beide sind sie auf einer Farm in Montana aufgewachsen. Einig sind sie sich in der Behauptung, langweilig zu sein, da sie beide die Landwirtschaft liebten. Insbesondere die "ohrenbetäubende Monotonie" im Umgang mit den entsprechenden Maschinen. Doch es kommen mehr und mehr auch die dunklen Erinnerungen zurück, an jenen "seltsamen Schlaftrunk, gebraut aus Tagen und Monaten und Jahren mit Grubber, Scheibenegge und Drille vor einem halben Jahrhundert".

Kim Zupan versteht es, ein persönliches Verhältnis zwischen den ungleichen Männern und für den Leser ein Knistern und ein leises Grauen entstehen zu lassen. "Gload sagte lange nichts, als lese er aus seiner finsteren Festung heraus die Gedanken des jungen Mannes." Und Gload scheint mehr zu wissen, als Val glaubt. Woher kennt er beispielsweise Valentines Vornamen und weiß, dass er katholisch ist? 

Auf seinem Stuhl in nicht ungefährlicher Nähe am Gitter sitzend, hört Val dem alten Mann zu und der Autor lässt fast eine Art Beziehung zwischen Priester und  Bekenner entstehen. Doch immer wieder rückt er die Rollenverteilung in diffuses Licht und die Hauptrollen verschieben sich. Auch eine Art Trost könnte es sein, was die beiden verbindet. "Trost, der durch gemeinsames Leid zuteilwird."

Mit seinen Landschaftsbeschreibungen und den Lebensgeschichten seiner Bewohner bleibt der Autor stets auf der düsteren Seite. Val schaut aus den Fenstern der Ranch seiner Eltern, "die in jede Richtung unnachgiebiges Unkraut und durstige, vom Wind gepeitschte Felder einrahmen. Eine kaum wahrnehmbare Erdwölbung unter einem Himmel, der außer Leid wenig hergab". Selbst wenn der Frühling naht, ist dieser "nichts als ein falsches Versprechen".

Entlegene Plätze und gefährliche Wege in zwielichtigen Landschaften beschreitet er ebenso, wie er die dunklen Geheimnisse von Menschen in fahlem Licht beleuchtet und das Grauen vergangener Zeiten und Tage ins Bewusstsein zurückholt. Kim Zupans Worte wirken nicht selten wie mit schwarzem Kohlestift gezeichnet. Ein grandioses Kammerspiel um zwei Männer, deren Leben aus den Fugen geraten ist.

 

Thomas Lawall - Februar 2015

 

 

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