Die im Dunkeln
von Karen Ellis
336 Seiten © 2018 by Rowohlt Verlag GmbH www.rororo.de ISBN 978-3-499-27309-4
Elsa Myers gehört zweifellos zu den ungewöhnlichsten Ermittlerinnen der weitläufigen Krimilandschaft. Die "FBI-Expertin" hat sich einen Namen durch die Spezialisierung auf Fälle verschwundener Mädchen gemacht. Bisher durchaus erfolgreich, gerät sie im aktuellen Fall allerdings an ihre Grenzen ...
... wobei es in "Die im Dunkeln" zunächst nicht unbedingt einen solchen gibt. Die siebzehnjährige Ruby Haverstock wird seit drei Tagen vermisst, was in diesem Alter nicht unbedingt auf ein Verbrechen hinweist. Mitunter macht man lediglich einen längeren Ausflug, um der Enge des als Gefängnis empfundenen Elternhauses und dem damit verbundenen Regelwerk für ein paar Tage zu entkommen.
Zunächst dreht es sich in der Haupthandlung um genau jenes Thema, was nicht unbedingt zu erwarten war. Uneingeschränkte Hauptperson ist Elsa Myers selbst und nicht ein konkreter Fall. Karen Ellis zeichnet ein ausführliches Charakterprofil ihrer Heldin, wobei sie es fast ein wenig übertreibt. In einem Thriller erwartet man im Prinzip ein aufzuklärendes Verbrechen, wobei man sich in diesem Fall etwas gedulden muss.
Gut die Hälfte der 330 Seiten präsentieren nicht das gewohnte Bild. Abgründe tun sich eher bei Special Agent Myers auf und zwar solche der ungewöhnlich heftigen Art. Die Autorin beschreibt in zahlreichen Rückblenden eine Kindheit und ein Elternhaus, welches einem Alptraum in nichts nachsteht. Leserinnen und Leser dürfen sich auf nachhaltige Eindrücke einstellen.
Die traumatisierenden Ereignisse, die handfeste Folgen bis in die Gegenwart nach sich ziehen, belasten Elsas Ermittlungsarbeiten schwer. Doch damit nicht genug. Nach privaten Katastrophen, für die in der Vergangenheit ihre Mutter und in der Gegenwart ihre Nichte verantwortlich zeichnen, steht nun auch noch der baldige Tod ihres Vaters im Raum. Auch der Verkauf des Hauses ihrer Eltern grenzt für sie ans Unerträgliche. Fast bleibt für die eigentlichen Aufgaben nur wenig Raum, bis die Dinge endlich ins Rollen kommen ...
Es ist allerdings nicht so, dass man sich etwa durch die Lektüre hindurchquälen muss. "Die im Dunkeln" funktioniert mit anderen Mitteln. Die anfängliche "Ladehemmung" fügt sich im weiteren Verlauf der Handlung logisch in das Unerwartete ein. Was sich vorher liest wie ein Familiendrama, entwickelt nicht vorhersehbare Zusammenhänge.
Und genauso bleibt es auch. Fast ist man geneigt, der Geschichte einen falschen Stempel aufzudrücken. Etwas passiert und wird aufgeklärt. Na und? Wie weiter? Bis sich aus dem Hinterhalt heraus eine Wahrheit herausschält, die dem Fass dann endgültig den Boden ausschlägt. Ein vermeintlich "gestreckter Thriller" entwickelt eine diabolische Dimension. Ein Thriller? Nun ja, es könnten im Prinzip auch zwei sein ...
... ein nachhaltiges Leseerlebnis aber auf jeden Fall!
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