Die Sprache meines Bruders
von Gesa Olkusz
174 Seiten © 2025 Residenz Verlag GmbH A-5023 Salzburg www.residenzverlag.com ISBN 978-3-7017-1801-6
"Alles hat sich geändert, er ist wieder allein." Parker fährt durch die Nacht, und nur jetzt scheint ihm sein Leben, angesichts dieses scheinbaren Widerspruchs, einigermaßen erträglich zu sein.
"Allein unter diesem Himmel, der alles sieht."
Er denkt an Luzia und die Worte, die sie aneinander vorbei dachten. Jene Missverständnisse, die so oft eine lebenslange Scheinkulisse künstlich am Leben erhalten, oder alsbald in sich zusammenstürzen. Wenn zwei sich begegnen, ohne sich jemals wirklich zu berühren.
Unterschiedlicher können Brüder wohl nicht sein. Kasimir und Parker gehen getrennte Wege, bewohnen aber gemeinsam ein Haus. Ihre Mutter brachte sie von Polen in die USA, um ein neues Leben zu beginnen.
Ihre Begrenztheit und die tief verwurzelten Blockaden nahmen sie aber mit auf die Reise. Jeder in seiner eigenen Isolation lebend, hat Kasimir kein Interesse, das Haus je zu verlassen, während Parker seinen Lebensunterhalt als Privatchauffeur verdient.
So etwas wie Gespräche entstehen nur, wenn Kasimir den spät heimkommenden Bruder anspricht, der ansonsten wortlos an ihm vorbeigeht. Doch jetzt geschieht etwas, womit er nicht gerechnet hat, "etwas Tieferes, auf das sein Leben heimlich zugesteuert hat."
Ein Jahr lebte Luzia, eine Kollegin Parkers, "ohne Raum einzunehmen" mit im Haus. Sie "war einfach dagewesen", doch nun war sie fort. Die Einsamkeit eroberte das Haus zurück, während sie "den Spuren einer fiktiven Welt" folgt.
Die Stimmung in diesem Buch führt Leserinnen und Leser schnell in eine Tristesse, wenn auch in eine sehr poetische! Unvermittelt tauchen aus dem Nichts plötzlich Spiegelwände auf, die Bilder der eigenen Lebenswirklichkeit zeigen, je nachdem, ob man sich mit Parker, Kasimir, den so vor sich Hinlebenden, oder mit der eher lebensbejahenden Luzia identifizieren kann.
Gesa Olkusz erzählt eine einfache Geschichte in ebensolchen Worten. So "einfach" ist es jedoch nicht, denn mit jener vermeintlich simplen Wortwahl schafft sie einen enormen Tiefgang. Das untergehende Schiff bleibt somit auf Kurs!
"Die Sprache meines Bruders" ist ein unspektakuläres, stilles Lebenslied. Das Buch schildert den Abbruch einer Lebenswirklichkeit und einen Aufbruch ins Ungewisse. Dorthin, wo ein Fremder vielleicht immer einer bleiben wird, wenn der Käfig der ungeschriebenen Gesetze nicht durchbrochen werden kann.
Die eigenen Horizonte nimmt man schließlich mit, doch wenn sie durchbrochen werden, können, zumindest kleine, Wunder geschehen. Aber viel zu oft hat das Leben andere Pläne, so es denn welche sind. So als ob ein Einzelschicksal wirklich von Bedeutung wäre.
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