Die Skulptur
von Ipek Demirtas
344 Seiten, Hardcover ©ACABUS Verlag im Diplomica Verlag GmbH 1997-2010 www.acabus-verlag.de ISBN: 978-3-941404-53-3
Warin trennt sich von Karl. Weil sie ihn liebt. Aber ein dunkles Geheimnis aus seinen Kindertagen macht ihn unnahbar, entfernt von sich selbst. Während Warin noch ein letztes Mal versucht zu Karl durchzudringen, ist dessen Schicksal schon seit langer Zeit besiegelt und erfüllt sich nun.
Ipek Demirtas psychologisch sehr dichter Debütroman hinterlässt mich zwiespältig. Hervorzuheben ist die sprachliche Eleganz und Feinheit des Romans, die ihn trägt. Gerade Warins Introspektive wird dadurch real und lebendig, allerdings auf Kosten einer äußeren Handlung. So verliert sich die Autorin im ersten Abschnitt des Romans in Wiederholungen der immer gleichen Gedanken. Auch wenn dies die Gedankenmühle der Protagonistin realisiert, wäre an dieser Stelle weniger mehr gewesen.
Mit dem ersten Abschnitt über Karls Vergangenheit gewinnt der Roman deutlich an Fahrt. Der Aufbau in wechselnden Kapiteln, einmal die Gegenwart ab Warins Trennung von Karl, dann der Blick in Karls Vergangenheit, baut eine interessante Spannung auf. Der Leser bekommt immer mehr einen Einblick in die Unmöglichkeit der Liebe Warins und die Gründe für diese Unmöglichkeit.
Ipek Demirtas schafft es sehr schön, die inneren Welten der beiden Protagonisten darzustellen. So zeigt sie klar die Erwartungen, die Verluste und das letztendliche Zusammenbrechen der Welten von Karl und Warin sowie ihren jeweiligen Umgang mit diesem Zusammenbruch. Allerdings sieht der Analytiker in mir die Persönlichkeiten der Protagonisten als unrealistisch gebrochen an: Warins Leben ist von Disziplin und Sachlichkeit geprägt. Trotzdem bekommt sie ihre Gefühle nicht unter Kontrolle, sondern verliert sich in ihrer Liebe. Karl ist ein erfolgreicher Naturwissenschaftler, obwohl er diese nur als Flucht betreibt. Ausgehend vom Kindheitstrauma und dessen Auslöser müsste Karl zudem spätestens als Jugendlicher Suizid begangen haben.
Wunderbar finde ich das titelgebende Motiv des Romans: die Skulptur. Sie bietet Warin einen Reflexionspunkt für ihre jeweilige Innenwelt in den verschiedenen Phasen des Romans und wird schlussendlich zum Symbol der letzten Hoffnung.
Immer wieder klingt im Roman die Absurdität und Sinnlosigkeit des Lebens und Liebens an. So wirkt Warins unerfüllte Liebe wie der Stein, den Camus’ Sisyphos schieben muss – jeden Tag.
Was bleibt als Fazit? „Die Skulptur“ ist ein guter Debütroman, dessen Lesen sich allein schon der Sprache wegen lohnt. Wer dann noch den Mut hat, in den Seelenspiegel zu schauen, den Ipek Demirtas entwirft, der kann für und über sich viel lernen.
Und noch ein Wort an alle knallharten Jungs: Lest dieses „Frauenbuch“ :-)
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