Literatur

Die Schöne und der Tod

von Bernhard Aichner


256 Seiten
© 2010 Haymon Taschenbuch, Innsbruck-Wien
www.haymonverlag.at/haymontb
www.bernhard-aichner.at
ISBN 978-3-85218-827-0



Max will seine Ruhe haben. Den ganzen Nachmittag hat er geschlafen. Auf sein Abendessen will er verzichten. Er möchte alleine sein. Deshalb geht er an seinen Arbeitsplatz. Hier ist er zu Hause, hier kennt er sich aus und hier stört ihn niemand. Die Bretter vom frisch ausgehobenen Grab schiebt er beiseite, steigt hinab und legt sich hin. Max genießt die Ruhe und schaut in den sternenklaren Himmel. Herrlich, diese Stille. Es ist ein schönes Grab geworden. Die Wände sind gerade, nichts ist ausgebrochen, die Schalung ist perfekt - alles in allem eine schöne Handarbeit. Max Broll ist Totengräber. Und er liebt seinen Job. Probeliegen ist für ihn Pflicht, denn schließlich muss er wissen, wie es da unten so ist und ob alles stimmt. Knapp unter ihm liegt Margas Mutter. Morgen wird Marga hier liegen, die Schwester von Emma, die einst ebenfalls hier ihre letzte Ruhe finden wird. Oft liegt er in seinen Gräbern, im Sommer meist stundenlang. Nur hier findet er Frieden, erfreut sich am Geruch der Erde, und genießt sein Dasein an einem Ort, den nie ein Lebender betritt. Hier ist sein Platz ... "ein Ort für ihn allein".

Sein Vater, der auch Totengräber war, lehrte ihn einst, sich mit dem Tod anzufreunden, denn so könne er ihm nichts anhaben. Das funktionierte all die Jahre gut, bis er selbst in der Holzkiste lag. Für Max stürzte eine Welt zusammen, er wollte es nicht glauben und redete mit seinem Vater, auf dass er wieder aufwachen sollte. Doch der Tod kannte auch hier kein Erbarmen. "Das gehört zum Leben dazu", sagte sein Vater einst. Doch es half nur bei den anderen. Die Klagen der Angehörigen konnte er ertragen. Hier konnte ihm das Unglück und Leid nichts anhaben, und oft saß er oben auf seiner Terasse und schaute zu, wenn sie die Särge in dunklen Löchern verschwinden ließen.

Bert Broll war der beste Vater der Welt. Lange 34 Jahre war er Totengräber im Dorf, bis er krank wurde. Max verzichtete auf alle Pläne, kümmerte sich um ihn und beschloss, seine Arbeit fortzuführen. Emma, seine erste große Liebe seit dem 16. Lebensjahr, konnte diesen Weg nicht mit ihm teilen. Alles zerbrach, während Max seinen Vater zwei Jahre lang pflegte. Auch nach seinem Tod dachte Max nicht daran, sich neu zu orientieren. Er blieb im Friedhofswärterhaus, baute die Wohnung aus und eine Terasse, so wie er es immer wollte. Und eine Blocksauna im Friedhofsgarten. Pfarrer Stein gefiel das gar nicht, was sich unter seinem Schlafzimmerfenster abspielte, doch er ist machtlos. Das Pfarramt ist sein Reich, hier regiert er, "der Vollstrecker des Herrn, der Richter über Gut und Böse". Aber der Friedhofsgarten gehört dem Totengräber.

Eines Tages ruft Emma an. Ihre Schwester hätte sich umgebracht. Marga wäre einfach gesprungen. Max soll ein Loch graben - in wenigen Stunden wäre sie in Wien. Er soll sie abholen. Max hat mit allem gerechnet, aber nicht mit ihr. Die Liebe zu Emma hatte er einst in einen Sack geschnürt und in den Bach geworfen. Doch plötzlich ist sie wieder da und bringt sein Leben abermals völlig durcheinander ...

Es wäre sinnlos, jetzt weiterzuschreiben, denn was sich insbesondere nach Margas Beerdigung zuträgt, sollte an dieser Stelle nicht verraten werden. Und was der Verlust einer Taschenuhr und die Suche nach derselben bedeuten und auslösen kann, erst recht nicht!

Dieses Buch hat Folgen und "färbt ab". Ich ertappe mich dabei, meine Gedanken immer mehr auf das Wesentliche zu reduzieren. Die Sätze werden immer kürzer. Ich werfe Ballast ab. Dennoch sollte ich mir jetzt schleunigst noch etwas für den allgemeinen Teil ausdenken, denn schließlich will der geneigte Leser erfahren, inwieweit er eine Lese- oder gar Kaufentscheidung für "Die Schöne und der Tod" treffen sollte. Ich könnte gleich eine ganze Reihe von Gründen aufführen, die dementsprechende Entscheidungsfindungen ganz wesentlich erleichtern könnten. Ich frage mich nur, wie ich das in aller Kürze erklären soll.

Bernhard Aichner definiert in seinem Krimi-Debut den gemeinen Kriminalroman anders als gewohnt. Man fühlt sich wie in einer Art realem Hörspiel, das auf eine Bühne projeziert wird. Ein seltsamer Genremix ohne Zweifel, für den mir im Moment noch die passenden Umschreibungen fehlen. Möglich, dass mich die völlig ungewohnten Dialoge durcheinanderbringen, die zudem noch ohne die gewohnten Interpunktionen auskommen (müssen). Seitenlang. Dennoch so präzise formuliert, dass man nie auch nur im Geringsten den Faden verliert. Ganz im Gegenteil, denn die Figuren führen in ultrakurzen, aber umso treffsichereren Formulierungen die Handlung weiter und charakterisieren sich, scheinbar so ganz nebenbei, selbst. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so gelesen zu haben. Man sollte also offen sein für die Änderung von eingefahrenen Lesegewohnheiten. Auf der anderen Seite agiert der Humor auf der ganz schwarzen Seite, worauf sich zarte Gemüter durchaus einstellen sollten. In diesem Fall ist man in der Lage, den einen oder anderen ebenso abgründigen wie pietätlosen Brüller ohne Folgeschäden einstecken zu können.

Das sich immer weiter ausbreitende Geschrei nach Fortsetzungen geht mir übrigens restlos auf die Nerven, wobei ich in diesem Fall gerne eine Ausnahme machen möchte. Totengräber Max Broll hat noch ein langes Leben vor sich. Da würden wir liebend gerne noch ein gutes Stück mitlaufen dürfen ...

 

Thomas Lawall - Januar 2011

 

 

 

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