Literatur

Die Sache mit dem Glück

von Matthew Quick


336 Seiten
1. Auflage Januar 2015
© 2014 by Rowohlt Verlag GmbH
www.rowohlt.de
ISBN 978-3-463-40084-6



Father McNamee trinkt eine halbe Flasche Whiskey und schläft auf der Couch ein. Bartholomew Neil beobachtet ihn. So wie er ist und ohne jede Wertung. Mit seinen dicken Unterarmen und seinem dicken Bauch sieht er wie eine überdimensionale Kartoffel mit Kopf und Gliedmaßen aus. Sein Bart erinnert ihn an Santa Claus und man sieht dem Priester an, dass er sein ganzes Leben im Dienste Gottes stand. Er hat stets "im unermesslichen Boden der Menschheit gegärtnert, Seelen geerntet".

Father McNamee hat ein Problem. Mindestens eins. Gott hatte ihm vor langer Zeit etwas aufgetragen. Jetzt ist es soweit, sich darum zu kümmern. Da Gott ihn im Moment anschweigt, hat er die Zeit dazu. Der Priester macht keine halben Sachen, weshalb er zu Beginn einer Messe für einen handfesten Skandal sorgt. Nachdem er die Weihrauchkugel wie ein Geschoss durch den Altarraum fliegen lässt, zieht er, nach einer Schweigeminute auf der Kanzel, sein Messgewand aus, und widerruft, in Unterhemd und Unterhose, sein Gelübde und enthebt sich selbst und offiziell seiner Priesterwürde.

Der Priester ist sich sicher, Gott verärgert zu haben. Viel zu lange ist es her, als er ihm auftrug, sein Priesteramt niederzulegen und bei Bartholomew zu leben. Nun ist er angekommen. Sein künftiger Mitbewohner zeigt sich überrascht und fragt nach den Gründen. Father McNamee eröffnet ihm, dass Gott einen Plan mit ihm hat. Leider weiß er nicht genau, wie dieser aussieht, da Gott im Moment nicht mit ihm sprechen würde. Ebenfalls dumm, dass Bartholomew Neil seinerseits keinerlei göttlichen Ruf vernommen hat, was für Father McNamee letztlich aber kein Problem darstellt. Man müsse jetzt halt einfach warten ...

Bartholomew ist 39 Jahre alt und lebt noch zu Hause. Seine Mutter starb an Krebs und plötzlich muss er sich alleine in seinem Leben zurechtfinden. Seine Mutter nannte ihn immer "Richard", worauf er sich lange keinen Reim machen konnte, bis er beim Aufräumen, in einer Schublade für Unterwäsche, einen Brief von Richard Gere findet. So nach und nach erschließt sich jetzt das zunehmend sonderbare Verhalten seiner Mutter, die ihn zu ihren Lebzeiten dazu nötigte, ihren ganz persönlichen Richard Gere zu spielen.

Orientierungslos, aber nicht ohne Lebensmut, muss Bartholomew nun seinen eigenen Weg finden. Zwischen Realität und Erinnerungen schwankend, entschließt er sich, dem wahren Richard Gere Briefe zu schreiben ...

Matthew Quick gelingt das Kunststück, in seiner Geschichte ein klares Anliegen zu entwerfen, ohne es dabei genau zu definieren. Der Sinn seines Dramas rund um die Außenseiter Bartholomew, Max und seiner Schwester Elizabeth, sowie dem Geistlichen McNamee oder der Trauerbegleiterin Wendy erklärt sich selbst. Durch das gesamte Buch zieht sich ein seltsames Glücksgefühl, fast entrückt und stets über den Dingen schwebend.

Fast ein wenig unlogisch und nicht sofort begreifbar, denn die Hauptpersonen sind jeder auf seine Art vom Leben schwer gezeichnet und traumatisiert. Bartholomew verbrachte sein ganzes Leben mit seiner Mutter. Er geht keiner geregelten Beschäftigung nach und ist auf seine Mutter und ihre Philosophie fixiert. Lebensentscheidend sind ihre An- und Einsichten und haben ihn geprägt. Selbst noch so kleine Dinge konnte sie "wie ein Wunder wirken lassen".

Sie glaubte Zeit ihres Lebens an das Glück des Augenblicks. Selbst ein Unglück muss kein Beinbruch sein, da es immer auch etwas Gutes auslösen kann. Es gibt nicht immer Antworten, warum etwas geschehen ist und ob es nicht wieder passieren kann. "Wir wissen nichts. Aber wir können wählen, wie wir reagieren, wenn uns etwas Bestimmtes widerfährt. Wir haben immer eine Wahl."

Der Autor treibt das rührende Familien-, Beziehungs- und Lebensdrama auf die Spitze, indem er nach zwei Dritteln des Buches ein weiteres Element hinzufügt. Seine Helden wirken jetzt wie schräge Typen in einem ebenso schrägen Roadmovie. Bartholomew, Max und seine ehemals von Aliens entführte Schwester sowie der trinkfeste Father McNamee sind zu jeweils recht unterschiedlichen Lebenszielen unterwegs.

Dramatisches wird sich ereignen. Man berührt die Aussichtslosigkeit und das Ende, von Matthew Quick hinreißend formuliert. Doch wie sagte Bartholomews Mutter stets, bevor sie so schwer erkrankte: "Immer wenn etwas Schlechtes passiert, passiert auch etwas Gutes - und das sorgt auf der Welt für Harmonie." Es ist eben so eine Sache, mit dem Glück.

 

Thomas Lawall - Februar 2015

 

 

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