Literatur

Die Pfandsammler Küche

von Flaschibert Pfandinsky


210 Seiten
© 2012, XIO Books & Software
Martin Rieger (Inh.), Konstanz
www.xio-books.com
ISBN 978-3-943706-00-0



Erst neulich sind sie mir wieder begegnet. Auf einer ziemlich bekannten Rennstrecke tummelten sie sich gleich in Scharen. Mal wieder. Eigentlich unverständlich, wenn beispielsweise für eine lächerliche Dose Bier 3 Euro und 50 Cent Pfand bezahlt werden muss. Man sollte meinen, dass die Leute bei einem solchen Wucherpreis wenigstens ihr Pfand zurückverlangen. Weit gefehlt. Ganze Berge ließen sie zurück und die Riege der Pfandsammler rückte gar mit Säcken an! Und wer jetzt denkt, die werfen das leicht verdiente Geld gleich wieder zum Fenster raus, irrt ebenfalls. Die haben jetzt ein eigenes Kochbuch und kehren mit diesem der Lust am Verschwenden endgültig den Rücken ...

Man sollte nie mit leerem Magen einkaufen! Denn auf diese Klientel ist "die hinter ihren Überwachungsschirmen bei Kaffee und Kuchen sitzende Supermarkt-Führungsriege" besonders scharf. Kunden mit "unterzuckertem Gehirn" sind ganz besonders anfällig für Sonderangebote aller Art, insbesondere für "Mogelpackungen zum Premium-Preis". Flaschibert Pfandinsky, der gnadenlose Preisdrücker und "heimliche Vielfraß", hat deshalb (auch) an dieser Stelle den passenden Tipp parat: "Besser trocken Brot im Bauch als hungernd in den Einkaufsrausch!"

Doch, wer zum Teufel ist Flaschibert Pfandinsky? Wir erfahren es in diesem Buch nicht und sind deshalb auf die eine oder andere Spekulation angewiesen. Ein schräger Spaßvogel ist der Pfandinsky aber mindestens, was aber keinesfalls bedeutet, dass er in der "Pfandsammler Küche" lediglich eine Handvoll Kochrezepte für den schmalen Geldbeutel aufzählt. Die Richtung stimmt zwar, doch Flaschibert hat weitaus mehr zu bieten.

Die Grundidee, zehn Wochen möglichst preisgünstig einzukaufen und zu kochen, ist bereits originell genug, doch damit nicht genug. Dieser Zeitraum ist zudem in einen ganzheitlichen Rahmen gestellt. Der potentielle Sparfuchs wird praktisch vom Einkaufsregal bis hin zum fertigen Gericht begleitet, beraten und angeleitet.

Dem aufwändigen Inhaltsverzeichnis folgt zunächst einmal eine Einführung über Konzept sowie Aufbau und Benutzung des Buches - "Pfandinskys striktes Projektmanagement". Ferner werden wir über Preisangaben aufgeklärt, denn Pfandinsky macht sich die Mühe, die Kosten für ganze Packungen und die tatsächlichen Verbrauchskosten gegenüberzustellen. Schließlich verbleiben von diversen Zutaten gewisse Restmengen. Selbst an Leute, die Probleme haben, die anfallenden Reste anderen Gerichten zuzuordnen, hat er insofern gedacht, als er eigens für diese neben dem Gerichte-Index, einen Zutaten-Index eingerichtet hat.

Es wird erklärt, wie schon beim Einkauf kräftig gespart werden kann und wie Sparfüchse bei der Zubereitung auf ihre (geringeren) Kosten kommen. Auch der Anhang kann sich sehen lassen. Eingegangen wird sowohl auf die Haltbarkeit von Obst und Gemüse und wann es saisonal zu haben (und somit billiger) ist. Selbst ein Verzeichnis der "Preiseinstiegsmarken" fehlt nicht, denn oftmals unterscheiden sich die Eigenmarken der verschiedenen Supermarktketten wenig oder gar nicht von wesentlich teureren Markenprodukten.

Im Hauptteil findet man den vollständigen Ernährungsplan für zehn Wochen, wochenweise eingeteilt mit einer Einkaufsliste nur für Hauptmahlzeiten oder einer vollständigen Liste für alle Mahlzeiten. Auch verschiedene Haushaltsgrößen wurden berücksichtigt. Die Tabellen sind für jeweils eine Person oder für Familien mit zwei drei oder vier Personen ausgerichtet. Kosten nur für Hauptmahlzeiten oder alle Mahlzeiten sind ebenfalls tabellarisch getrennt, wobei sich hier eine Besonderheit ergibt, denn sämtliche Kostenangaben sind auch in Pfandflaschen und Gold umgerechnet. Das ist nützlich, falls es den Euro einmal nicht mehr geben sollte ...

Die Gerichte sind einfach gehalten und dürften verwöhnte Gourmets kaum begeistern können. Der ganze Rest dürfte aber anderer Meinung sein, denn hier findet auf 210 Seiten wirklich jeder nur halbwegs interessierte Koch eine Fülle an Rezepten, Anregungen und Tipps. "Die Pfandsammler Küche" dürfte auch und besonders für absolute Anfänger in Haushalt und Küche interessant sein aber auch für jene, die vielleicht vergessen haben, was zum Beispiel eine "Klimpersuppe", ein "Scheiterhaufen" oder ein "Armer Ritter" ist.

Flaschibert Pfandinsky, wer immer das auch sein mag, hat ein durchaus unkonventionelles Kochbuch geschrieben. Selbstverständlich erklärt er in der Einführung ganz ohne falsche Bescheidenheit, weshalb das so ist. Es könnte ja jemand übersehen. Doch auch ohne die ironische Selbstbeweihräucherung wäre die "Pfandsammler Küche" ein Werk, das sich aus dem schier unüberschaubaren Berg von Kochbüchern klar heraushebt und dies nicht nur inhaltlich sondern auch optisch. Somit taugt das Buch ebenso als ideale Küchenlektüre wie als Geschenk zu jedem nur erdenklichen Anlass.

Am Ende bleibt nochmals die Frage, wer sich hinter diesem sagenhaften Flaschibert Pfandinsky verbirgt. Ist es ein bekannter Fernsehkoch, der hier einmal kräftig auf die Pauke haut oder gar ein Mensch, der vielleicht niemals selbst kochen würde? Zuzutrauen wäre es dem "Autoren" schon. Selbstverständlich stellt er sich auch vor - jedenfalls so, wie wir ihn uns in etwa vorzustellen haben. Vielleicht erfahren wir mehr, wenn er seine Drohung auf der letzten Seite in die Tat umsetzt. Supermarktbetreiber sollen ja schon jetzt die eine oder andere schlaflose Nacht verbringen ...

 

Thomas Lawall - Juli 2012

 

 

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