Literatur

Die Namen der Toten

von Sarah Bailey


464 Seiten
© 2018 by Sarah Bailey
© der deutschsprachigen Ausgabe 2018
by Penguin Verlag, München
www.penguin-verlag.de
ISBN 978-3-328-10174-1



Richard traut seinen Augen nicht. Noch gut zwei Stunden vor Dienstbeginn hechtet er, nur mühsam seligem Schlaf entronnen, die Treppe hinunter. Nicht nur der Morgen dämmert, sondern auch ihm, dass womöglich seiner schrägen Mitbewohnerin "Cherry" etwas zugestoßen ist. Es klingelt ohne Unterlass und schon glaubt er, durch das trübe Glas der Haustür eine Polizeiuniform erkennen zu können, was ihn fast in Panik versetzt.

Ein Kollege. Tatsächlich. Detective Constable Kahn, der in einem knalligen Jogging-Outfit und mit besonderem Anliegen jenen Morgen gründlich durcheinander bringt. Kurzerhand erklärt er sich zu seinem neuen "Personal Trainer" und nötigt ihn zu einer ausgiebigen Laufrunde. Die Untergebenen von heute sind auch nicht mehr das, was sie früher einmal waren ...

Die angedeutete Szene hat so gut wie nichts mit der Haupthandlung zu tun, denn heutzutage beginnt man sich zunehmend über "Spoiler" zu beschweren. Nicht wenige lehnen es sogar ab, Klappentexte zu lesen, was jedoch im krassen Gegensatz zu denjenigen steht, die vor dem Kauf eines Buches doch so in etwa wissen möchten, um was es sich handelt und/oder wie das Buch evtl. bewertet wurde. Letztere dürfen jetzt gerne weiterlesen ... dennoch aber keine wesentlichen Handlungsdetails erfahren.

Jedenfalls wird es ernst. Sehr ernst. Und genau deshalb kommt die hin und wieder eingestreute Situationskomik gerade recht, um die beklemmende Stimmung etwas aufzulockern. Dies gelingt beispielsweise auch durch Dialoge, die sich im Rahmen einer bestimmten Situation auf den Anblick einer "Kraterlandschaft auf dem Gesäß" eines Vorgesetzten bezieht. Insgesamt gestaltet Sarah Bailey den Kontakt der Kollegen untereinander breit durchwachsen. Mal grundsätzlich ablehnend und respektlos oder mal voller unausgesprochener Bewunderung.

Es darf auch einmal "knistern" zwischen maßgeblichen Parteien, was die Autorin in zunächst sehr feinen und beiläufigen Andeutungen versteckt. Ähnlich wie den das Drama unterstreichenden "Soundtrack" von Nick Cave, Madeleine Peyroux und Florence and the Machine. Detective Sergeant Richard Vega hat es weder im Privaten noch beruflich leicht. Komplikationen lauern an jeder Ecke. Der aktuelle Mordfall erinnert an einen vergangenen und lässt alte Wunden wieder aufplatzen. Richards Liebesleben gestaltet sich ähnlich chaotisch, was zusätzlich die Spannung anheizt.

Dem ehemaligen Priester bleibt also nichts erspart. Leserinnen und Lesern ebenfalls nicht. In ihrer Danksagung am Ende des Buches bezeichnet Sarah Bailey das Schreiben als einen "isolierenden Prozess". Der Rezensent ist der Meinung, dass sich diese Mühe absolut gelohnt hat. Glaubwürdige Charaktere, eine ebensolche Handlung, angereichert mit Humor und einem Hauch Sozialkritik, lassen einen Kriminalroman wie "Die Namen der Toten" nicht so schnell in Vergessenheit geraten.

 

Thomas Lawall - Februar 2018

 

 

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