Die Feuerritter - Kampf um Teinemaa
von Ann Kathrin Karschnick
626 Seiten 1. Auflage 2009 © 2009 by ToMa-Edition www.toma-edition.de www.ann-kathrinkarschnick.de ISBN: 978-3-940367-49-5
Tulurin macht die Augen auf, doch zunächst weiß er nicht, wo er sich befindet. Nein, das ist nicht das Waisenhaus, denn dort ist nicht alles aus Stein. Angst und Panik macht sich breit und ein dumpfer Schmerz hämmert in seinem Kopf. Hier riecht es schlecht und es ist feucht und modrig. Seine Erinnerungen nehmen langsam wieder Gestalt an. Da waren diese Stühle, die er dem Stadthalter Shin-Du liefern sollte. Hätte er nur nicht darauf bestanden, sie ihm persönlich auszuhändigen. Dann hätte er auch niemals dessen Gespräch mit dem unheimlichen Wesen, oder was immer es gewesen sein mag, unfreiwillig belauschen und jenes Wissen erwerben können, das ihm jetzt offenbar zum Verhängnis wird ...
Das Spiel ist aus. Tulurin ist gefangen. Er weiß zu viel und nun muss er dafür mit seinem Leben bezahlen. Er sitzt in einer Zelle, aus der es kein Entkommen gibt. Diese verdammten Harpyien haben ihn gefangen und in das gefürchtete Verlies gebracht. Es wird ein schlimmes Ende nehmen, doch wie grausam es werden wird, weiß Tulurin noch nicht. Erst so langsam wird es ihm klar, doch er verdrängt es mehr oder weniger erfolgreich ... denn sonst würde er auf der Stelle verrückt werden!
Das Verhör mit dem grausamen Druk nimmt nicht die erhoffte Wendung. Der Zwerg will lediglich in Erfahrung bringen, wieviel Tulurin weiß, um ihn danach zu beseitigen. Doch er will sein Sterben so lange wie möglich hinauszögern. Schließlich möchte er seinen Spaß haben, und er ist ein Meister dieser Kunst. Der Alptraum beginnt in seiner ganz persönlichen Kammer des Schreckens. Tulurin glaubt seinen Augen nicht, was sie sehen. Schweres Foltergerät, allerlei Haken, Ösen und merkwürdige Werkzeuge mit ebenso merkwürdig geformten Klingen, Ketten, von denen frisches Blut tropft, Schwerter, Äxte, Sägen und Messer in allen Variationen. Druk ist stolz auf sich und seine Sammlung. Seine Begabungen sind einzigartig und so leicht lässt sich niemand finden, der es ihm gleichtun kann. Das Szenario beginnt, als sich der Zwerg ein Messer greift und ohne jede Vorwarnung sein grausiges Werk beginnt ...
Tulurin versinkt in einem Meer aus Schmerzen und sein Kopf scheint zu explodieren. Dann überschlagen sich die Ereignisse. Draußen gibt es einen Tumult und der Zwerg stürzt hinaus. Ein Ablenkungsmanöver? Ein Fremder, der sein Gesicht unter einer Kapuze versteckt, betritt hastig den Raum. Er vergewissert sich, Tulurin, den Zimmerlehrling von Betram, vor sich zu haben. Dann befreit ihn der Fremde und es beginnt eine atemlose Flucht. Zwei Harpyien stellen sich den Flüchtenden in den Weg, doch sie haben der Schwertkunst des Retters nichts entgegenzusetzen.
Im Versteck des Unbekannten findet der Schwerverletzte Zuflucht. Er kommt wieder zu Kräften und seine scheußliche Wunde wird behandelt. Sein Lebensretter stellt sich als Erûven vor - verweigert aber jede weitere Information zu seiner Person und seinen Beweggründen. Tulurin sei noch zu jung für die Wahrheit. Erûven weiß um die Pläne des Shin-Dus und er erhofft sich von Tulurin, der das Gespräch belauschte, Informationen über den Gesprächspartner des Stadthalters zu erfahren ...
Der König von Teinemaa muss gewarnt werden. Doch der Weg bis Morothril ist weit und zunächst muss erst einmal die Flucht aus der Stadt gelingen. Leider sichern unzählige Stadtwachen die Straßen von Aglaár - jene seltsam gefiederten Frauen ...
Also, was sich allein bis Seite 100 an Ideen in diesem wunderbaren Roman versteckt, würde anderen Autoren womöglich als Stoff für eine komplette Story völlig genügen. Doch das ist erst der Anfang einer Geschichte, die den Leser von Anfang an zu faszinieren weiß. Es liegt nicht (nur) daran, dass die zahllosen Schauplätze absolut authentisch beschrieben werden. Natürlich vermag die Autorin die Stadt Aglaàr bis in die letzte verwinkelte Gasse so exakt zu beschreiben, dass wir uns im Ernstfall mühelos dort zurecht finden könnten. Selbstverständlich überfällt uns nackte Angst, wenn wir die Folterkammer im Verlies von Aglaàr betreten. Allein die erweckte Vorstellung der Unsäglichkeiten versetzt uns in namenlose Panik. Natürlich übersteigt die Stadt Kiehnshecken alles, was wir uns bisher vorstellen konnten. Man staunt ohne jedes Maß und bekommt den offenen Mund einfach nicht mehr zu. Klar, dass Ann Kathrin Karschnick gerne singt. Und zwar Loblieder auf die Phantasie. Nicht vereinzelt, sondern Seite für Seite ...
... doch was wären die tollsten Locations ohne die Akteure? Was wären phantastische Welten ohne ihre Bewohner? Das Geheimnis der Autorin ist gelüftet. Es ist ganz offensichtlich. Und genau dieser Umstand unterscheidet "Die Feuerritter - Kampf um Teinemaa" von vielen anderen Geschichten. Genial einfach im Prinzip. Am Anfang war sicher die Idee. Die eines Verzichtes nämlich. Ich unterstelle das jedenfalls. Ann Kathrin Karschnick verzichtet auf Nebendarsteller! Es gibt keine. Wer auch immer die Handlung vorantreibt, ob Tulurin, Zimmerer Bertram, die Harpyien, Druk, Retter Erûven, Zwerge, Giganten, Uroks, Ignisha'avor, Kan Ignista, Dunkelelfen, Gênisa oder wer auch immer - es handelt sich ausnahmslos um Hauptdarsteller! Denn auch in "kleinen" Rollen wirken die Charaktere absolut lebensecht und mitunter erschreckend real. Es kann einem schon Angst und Bange werden, wenn man sich gemeinsam mit den Akteuren auf einer atemlosen Flucht oder in einem unbarherzigen Kampfgetümmel wiederfindet und man erschreckt feststellt, die Grenze zwischen Realität und Fiktion kurzfristig überschritten zu haben!
Diese Mühe hat sich gelohnt, denn eine atemlose Spannung umgibt jede der weit über 600 Seiten, leicht untertrieben ausgedrückt ...
|