Die Djurkovic und ihr Metzger
von Thomas Raab
264 Seiten © Haymon Verlag, Innsbruck-Wien www.haymonverlag.at ISBN 978-3-7099-8105-4
Auch schon wieder vier Jahre her, als mit "Der Metzger" der siebte Band der gleichnamigen Reihe erschien. Schon ahnte man das Ende der schrägen Serie um den Restaurator Willibald Adrian Metzger und seiner ihm Zugemuteten. Um so erfreulicher für alle Kenner und Insider, dass Thomas Raab nun Danjela Djurkovic nicht nur einen Titel, sondern eine ebenso tragende Rolle zugedacht hat. Man ahnt Fürchterliches zu recht.
Fürchterliches erlebt aber zunächst der Metzger selbst. Nicht nur, dass man ihn in seine Werkstatt ausquartiert, ihm eine 14tägige Einzelhaft verordnet, um ausgiebige Hochzeitsvorbereitungen im Geheimen und ungestört ausführen zu können, sondern auch wegen einer ganzen Reihe von unvorhersehbaren Komplikationen, die wie ein Konzentrat aus unbeantwortbaren Fragen über ihn hereinbricht.
Der ebenso emotionale wie gesellschaftliche Overkill einer geplatzten Hochzeit ist selbst für den leidgeprüften Restaurator einige Nummern zu groß. Der Absturz ist vorprogrammiert, schließlich raufen sich er und seine Danjela bereits dreizehn Jahre mehr oder weniger erfolgreich, aber immerhin konstant, zusammen.
Doch nein, das ist längst nicht alles, was Thomas Raab seinen Figuren zumutet. Für den völlig entnervten Metzger geht es erst richtig los, als er in sein Domizil zurückkehrt. Zwei Wochen nicht betreten, findet er die gemeinsame Wohnung in "leicht" veränderter Form wieder. Doch auch hier erfährt die Tragödie eine weitere Steigerung, insbesondere wenn man spontan unkontrolliert einen Blick hinter die "Kulissen" wagt ...! Und was ist überhaupt mit der flüchtigen Braut? Wo ist die Djurkovic und vor allem: Wer ist sie überhaupt?
Was der Herr Raab hier abzieht, wirkt wie ein hochprozentiges Destillat der zitierten Vorgänger. Man nehme die altbekannten Zutaten, addiere sie und feiere mit der eindrucksvollen Summe sich selbst und das ganze Genre gleich mit.
Man weiß um die Fähigkeit des Autors, sich gerne zu verquatschen, ins Uferlose zu labern, sich aber alsbald wieder zu sammeln, um an der eigentlichen Story weiterzubasteln, aber nur um Luft für eine weitere Lektion in virtuoser Verbalakrobatik zu schnappen. Die gesellschaftskritischen Aspekte sind nunmehr von monumental-globalem Charakter und müssen mit dem Sattelschlepper transportiert werden.
Und das geht munter so weiter, bis der Beweis erbracht ist, dass nach der Steigerung immer "vor der Steigerung" ist. Das gilt sowohl für die diabolischen Ver- und Entwicklungen innerhalb eines weit verzweigten Familienclans im Besonderen, als auch im Einzelnen für Danjelas ebenso tief empfundene wie treffsichere Breitseiten gegen Gott und die Welt. Noch schlimmer: Gegen Richard Wagner!
"Na, diese Wagner. Hätt besser lesen lassen seine Frau Partitur, wäre ganze Getöse um Hälfte kürzer geworden!"
Apropos Getöse. Egal, wie man zu der wirren, im Sinne von unübersichtlichen, mit grantigem Humor gewürzten Story, in welcher man gerne auch mal den einen oder anderen Faden verliert, stehen mag, am Ende türmt sich jene zu einem filmreifen tarantinoesken Finale auf, aus dem es doch unmöglich einen Ausweg geben kann. Oder vielleicht doch?
Harter Tobak, virtuos erzählt.
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