Literatur

Die Autobiographie der Zeit

von Lilly Lindner


240 Seiten
© 2016 by Droemer Verlag
www.droemer.de
ISBN 978-3-426-30540-9



Poesie und Grauen sind offenbar keine Todfeinde. Ganz im Gegenteil: Sie gehen Hand in Hand und vertragen sich, den Umständen entsprechend.
David, der die "Beständigkeit" war, malte ein schwarzes Bild und sagte:

"Depressionismus ist die Kunstform des Leidens."

Wenn es so etwas wie einen Feind gibt, dann ist es die "Zeit". Sie war, ist, gibt vor und irgendwann ist sie zu Ende. Und sie ist klug und sagt Dinge wie:

"Die meisten Menschen vergessen, dass sie auch nach der Hochzeit noch miteinander reden dürfen."

Mit Shay ist nicht gut Kirschen essen. Sie tötet einfach mal so fünf Menschen. Der "Abgrund" darf das. Anschließend vergräbt sie deren Augen in einem Sandkasten. Weil sie blind sind:

"Sichtwaisen."

Kevin ist der "Raum" und er ist ständig beschäftigt. Mal verwandelt er "Müllhalden in Apfelbäume" und mal "Atombomben in Nähmaschinen". Und er weiß genau, warum er das tut:

"Um die Zeit zu flicken."

Die Zeit wollte nicht viel schreiben. "Nur kurze Kapitel." Ziemlich kurze Kapitel. Banale sogar. Zeitweise. Ein oder zwei Sätze. Vor sich selbst verstecken oder schnell rennen zum Beispiel. Oder Staub atmen, der nach Spinnen schmeckt.

Den Teufel hätte ich auch gerne kennengelernt. Immerhin verrät uns die Zeit ein großes Geheimnis. Der Teufel weiß nämlich sehr genau, wo Gott sich zur Zeit aufhält ...

Es war einmal eine Autobiographie, ein Roman, der Verstecken spielt. Der auf leeren Seiten entdeckt werden will. Zwischen den Zeilen vielleicht oder in der Zeit. In der davor oder der danach.

Zeit, die klug ist, die Dummen belächelt und gleichzeitig um sie trauert:

"Die Kirche pastorisiert Menschen, in dem Glauben, sie länger haltbar zu machen."

Immerhin war der Roman ein guter Vorsatz. Viele Seiten hat er ja tatsächlich. Aber mit der Zeit gibt ja auch die Zeit etwas zu. Ihr "fiel nichts ein":

"Nichts, was von allumfassender Bedeutung wäre."

Im Prinzip ist ja gar nichts von Bedeutung. Und dann doch wieder alles.

"Irgendwann. Verschwindet die Welt."

Ja gut.

 

Thomas Lawall - Juli 2016

 

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