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 Der fünfte Mörder
von Wolfgang Burger
320 Seiten
© Piper Verlag GmbH, München
www.piper.de
www.wolfgang-burger.com
ISBN 978-3-492-25743-5
Sarah kommt ohne jede Begrüßung sofort zur Sache. Sie fragt ihren Vater, wo er denn bleiben würde. Sie und ihre Schwester hätten Hunger. In keinster Weise verschwendet sie auch nur einen Gedanken an die Möglichkeit, dass er im Moment wirklich keine Zeit haben könnte. Schließlich ist Wochenende und sie würden jetzt gerne richtiges Essen haben. Die Nachricht auf dem Küchentisch wäre schließlich nicht essbar.
Insgesamt elf Personen sitzen am Besprechungstisch in der Heidelberger Polizeidirektion. Kripochef Gerlach hat im Moment ganz andere Sorgen, doch seine pubertierenden Töchter, die ihn per Handy kontaktiert haben, lassen nicht locker, was wiederum eine leicht zunehmende Unruhe in der versammelten Runde bewirkt. Sein Hinweis auf die Brötchen im Gefrierschrank sowie Käse und Salat im Kühlschrank wird kategorisch abgelehnt. Schließlich soll man jeden Tag mindestens einmal eine warme Mahlzeit zu sich nehmen. Zudem hätten Kinder das Recht auf ebenso regelmäßige wie gesunde Ernährung. Und selbst zu kochen kommt für zwei Fünfzehnjährige natürlich nicht in Frage ...
Wie auch immer, die Pläne für das verlängerte (Mai-)Wochenende sind geplatzt. Drei Tage wollte Kriminaloberrat Gerlach die Seele baumeln lassen. Außerdem wollte er den druckfrischen Erstling seiner Geliebten Theresa (der Frau vom Chef der Polizeidirektion Dr. Egon Liebekind!) in aller Ruhe lesen. Auch die Kollegen sind nicht besonders guter Dinge, doch die jüngsten Ereignisse in Heidelberg geben Anlass zu größter Besorgnis.
Es begann mit einem Knalleffekt. Alexander Gerlach wurde gar Zeuge des Anschlags. Mittels einer Bombe wurde eine Luxuskarosse in die Luft gejagt. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt, doch der Sachschaden ist erheblich. Die Art der Bombe lässt die Möglichkeit eines vorsätzlichen Anschlags auf Gerlach nicht unbedingt zu, weshalb in andere Richtungen ermittelt werden muss. Auch die sich fast automatisch aufdrängenden Gedanken, Al Qaida könnte jetzt in der Kurpfalz aktiv werden, sind haltlos.
Am Vorabend des Bombenanschlags wurde etwa zehn Kilometer flussabwärts von Heidelberg die Leiche eines dreißig bis vierzig Jahre alten Mannes gefunden. Die Leiche war unbekleidet und großflächig tätowiert. Zudem hatte sie ein Einschussloch genau zwischen den Augen. Die Identität des Mannes bleibt zunächst genauso unklar wie die Motive sowie der eigentliche Ort des Verbrechens. Unklar ist zudem, ob die beiden Verbrechen in einem Zusammenhang stehen. Eines ist für Kollege Balke jedoch klar: Das Opfer hat seinem Mörder in die Augen gesehen ...!
Erste Spuren führen in die Pizzeria "Bella Napoli". Anton Schivkov und sein Neffe Slavko Dobrev, der Besitzer des zerstörten Autos, führen die Geschäfte, die sich vermutlich auch in andere Richtungen bewegen. Im Restaurant sind ebenso viele wie auffallend attraktive Damen beschäftigt, welche ihre Wohnungen jeweils auch noch im Haus der beiden Bulgaren gemietet haben. Dies gibt zu berechtigten Vermutungen Anlass, doch der Leiter des Sittendezernats Kollisch macht Gerlach keinerlei Hoffnungen. Illegale Prostitution ist nicht nachweisbar. Die volljährigen Damen studieren und jobben nebenher im Laden, wohnen ordentlich zur Miete und kriegen Männerbesuche. Nichts von dem ist verboten ...
Es bleiben vorerst lediglich weitergehende Vermutungen. Vielleicht handelt es sich um unterschiedliche Auffassungen in Sachen Revier- und Betätigungsangelegenheiten. An die ersten Vorboten eines sich entwickelnden Bandenkrieges mag Gerlach noch gar nicht denken, als ihn die Nachricht vom schweren Unfall eines Russen auf der Autobahn erreicht. Es handelt sich ganz offenbar um einen Mordversuch. Das Navigationsgerät des vermeintlichen Mordopfers überstand einen mehrfachen Überschlag bei zweihundert Stundenkilometern. Piotr Voronin war auf dem Weg zur Witwe des vor zwei Jahren ums Leben gekommenen russischen Mafia-Bosses Lebedeva ...
Bei Wolfgang Burger ist Action angesagt. Schon auf der ersten Seite wirft er den Leser mitten in die Story und verzichtet auf jede einleitende Vorgeschichte. Das Rezept geht auf, wobei die folgenden 300 Seiten absolut das halten, was die ersten Seiten versprechen! Mehr noch als das, denn was seinen handlungsorientierten Stil betrifft, sucht "Der fünfte Mörder" seinesgleichen. Dies zu behaupten ist jedoch eine Unterstellung, denn ich kenne die Vorgänger nicht. Noch nicht. Acht Kriminalromane, die in Heidelberg spielen, hat Wolfgang Burger bereits veröffentlicht.
Der vorliegende Band ist der siebte Fall mit Kriminaloberrat Alexander Gerlach. Die Figur des bodenständigen Ermittlers, der wie du und ich mitten im Leben steht, ist nicht nur glänzend herausgearbeitet, sondern überzeugt durch seine ganz normale Alltagsproblematik, die wir alle kennen, auf der ganzen Linie. Ich füge deshalb auch gerne eine weitere Unterstellung an, indem ich zu behaupten wage, dass diese markante aber keineswegs überzeichnete Figur keinerlei Abnutzungserscheinungen aufweist, was man im siebten Band einer Reihe durchaus vermuten könnte.
Längen konnte ich in diesem Buch keine ausmachen, was sowohl Handlungsdichte als auch die eine oder andere völlig überraschende Wendung verhindern können. Nahtlos eingearbeitete private Wirren und Verstrickungen, insbesondere was Gerlachs Geliebte oder seine beiden 15-jährigen Zwillinge Sarah und Louise betreffen, bereichern (nicht nur) die Glaubwürdigkeit der Geschichte. Dazu kommt noch der fein aufgewogene Humor Gerlachs, der sich beispielsweise so skurrile Nebendarsteller wie die strippende Pfarramtssekretärin Inga Wolff leistet oder gar bei der Namensgebung den einen oder anderen Brüller formuliert. So ruft sich die stellvertretende Filialleiterin einer Bank Marilyn Brettschneider-Backhaus ...
Bleibt zu hoffen, dass uns weitere Fälle Gerlachs auf gar keinen Fall erspart bleiben und dass ich die Zeit finden möge, die genannten Vorgänger auf die ebenfalls schon genannten Unterstellungen hin genaustens zu untersuchen. Ich freue mich darauf.
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