Literatur

Der Werwolf von Hannover - Fritz Haarmann

von Franziska Steinhauer



316 Seiten
© 2017 - Gmeiner-Verlag GmbH
1. Neuausgabe 2024
www.gmeiner-verlag.de
ISBN 978-3-8392-0664-5



Fritz Haarmann (geb. 1879) vergöttert seine Mutter. Sie hätte stets recht gehabt, insbesondere mit dem einen oder anderen guten Ratschlag, den sie ihm mit auf seinen Weg gab.

"Der Mensch soll nicht allein sein, der braucht einen, der aufpasst."

So sieht er auch seinen misslungenen Lebensentwurf im Scheitern einer Verlobung als begründet. Es wäre ganz sicher nicht zu dem gekommen, was sich später zutragen sollte. Seine Erna suchte und fand einen neuen Partner, was für sie vielleicht eine Rettung bedeutete.

Für Fritz Haarmann jedoch nicht. In völlig zerrütteten Verhältnissen aufgewachsen, brach für ihn eine Welt zusammen und es entstand eine, wohl aus Enttäuschung, zusammengesetzte Motivation für seinen weiteren Werdegang, sozusagen als diabolisches Fundament.

Mit den "Weibern" wollte er fortan nicht mehr, was sich bereits vorher, auch in Verbindung mit sexuellem Missbrauch in seiner Familie als Kind, angekündigt hatte. Zudem wäre im allgemeinen davon abzuraten, sich mit einer Frau einzulassen,

"wegen der bösen Krankheit, die sie einem Mann anhexen."

In 68 Kapiteln, verteilt auf nur gut 300 Seiten, versucht Franziska Steinhauer die Rekonstruktion einer Serie von Verbrechen, die ihresgleichen suchen. Die Zusammenstellung realer Ereignisse und Fiktion ist schwierig und somit nicht immer gelungen. Die ständigen Wechsel der Erzählebenen und -perspektiven ermüden und sind nicht selten schlicht überflüssig.

Die damalige (sparsame) Medienberichterstattung sowie erste zaghafte und später ausführlichere polizeiliche Ermittlungen werden beispielsweise durch eine Art Pressestammtisch ("Presseclub Falkennest") kommentiert, die langweiliger nicht sein können. Diese Kapitel werden nur noch durch die begleitende Story der beiden Ausflügler Ludwig und Theo "getoppt", die sich gegen Ende dann noch in eine waschechte Seifenoper verwandelt.

Merkwürdigerweise ändert sich der preiswerte Erzählstil, der nicht selten nach Heftroman klingt, in den Passagen, die Haarmann "selbst" erzählt, in eine völlig andere Dimension. Hier kommt der 24fach verurteilte Massenmörder "persönlich" zu Wort. Die Autorin zieht hier alle Register und zeichnet damit ein erschütternd-düsteres Sprachbild nach dem anderen.

Scheinheilig-naiv, ohne geringste Skrupel oder Spurenelemente des Mitleids, erschafft hier eine eiskalte Seele ein Szenario des Schreckens. Mit dem Gefühl für Leserinnen und Leser, einen Blick in das (mögliche) Seelenleben des "Werwolfs von Hannover" geworfen zu haben, ist Franziska Steinhauer die perfekte Illusion gelungen, denn wie er wirklich gedacht und/oder (sogar) gefühlt hat, ist nicht wirklich belegt.

Auch die eigentlichen Todesursachen der Opfer geben noch heute Rätsel auf, so wie es der Gesamtzusammenhang und die Motive ebenfalls tun. Auch dieses Buch kann letztendlich keine Antworten geben, was allerdings auch nicht die Aufgabe eines True-Crime-Romans ist.

Nach einem entsprechenden Nachtrag sowie dem Urteil gegen Hans Grans, der in einer engen Beziehung zu Haarmann stand, wird das Buch durch einen umfangreichen tabellarischen Lebenslauf, einer Liste der 24 Opfer und einem Literaturverzeichnis komplettiert.

 

Thomas Lawall - April 2024

 

 

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