Literatur

Der Schatten meines Bruders

von Tom Avery


152 Seiten
© 2014 Beltz & Gelberg
www.beltz.de
ISBN 978-3-407-82049-5



Kaia macht sich Sorgen. Seit neun Monaten und zwölf Tagen. Nichts ist mehr, wie es vorher war. Sie macht sich Sorgen wegen der Schule und wegen den immer gleichen Jungs, die sie hänseln und beschimpfen. Auch wegen ihrer Mutter kommt sie nicht mehr zur Ruhe. Sie trinkt und hat ihren Job verloren. Da hilft zunächst auch der Engel nicht, der einmal ihr Bruder war ...

An jenem Tag war eigentlich alles wie immer. Der Unterricht, das ausgelassene Spiel mit ihren Freundinnen. Damals lobte sie ihr Lehrer noch als ein aufgewecktes Mädchen. Heute ist das vorbei. Heute ist sie Kaia, "für immer festgefroren".

Die Geschichte von Kaia, ihrem verstorbenen Bruder Moses und einem namenlosen, stummen Jungen wird von Tom Avery sehr einfühlsam in Szene gesetzt. Er lässt die Zeit scheinbar stehenbleiben und schildert die in Zeitlupe einstürzende Welt Kaias und ihrer Mutter in schonungsloser Direktheit.

Neben der Härte einer erbarmungslosen Realität formuliert der Autor Erinnerungen und die traurige Gegenwart seiner Hauptpersonen aber auch auf eine sehr poetische Art und Weise: "Der Junge läuft so leise, wie Tränen fließen."

Man könnte vielleicht einwenden, dass man gerne mehr über die Umstände erfahren hätte, die zum Tod von Kaias Bruder geführt haben. Indem der Autor die grauenhaften Ereignisse nur andeutet, zeigt er dem aufmerksamen Leser jedoch, dass er mit diesem Roman ein anderes Anliegen hat.

Der im Jugendbuchbereich angesiedelte Roman (ab 12 Jahre) kann jungen Lesern eine andere Lebenssicht vermitteln. Aus ihrem Alltag herausgerissen erfahren sie, wie ein dunkles Schicksal aussehen kann - was es bedeutet, Abschied zu nehmen, in diesem Fall sogar zu müssen.

Es kann nicht schaden, einen Blick auf die andere Seite zu werfen, und es ist sicherlich nicht verkehrt, zu erfahren, dass es selbst in solch einer wahrhaft aussichtslosen Lebenssituation noch Wege gibt, die aus der Verzweiflung herausführen, und die es ermöglichen, das eigene Leben wieder in die Hand zu nehmen.

 

Thomas Lawall - August 2014

 

 

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