Literatur

Der Pygmäe von Obergiesing

von Max Bronski


168 Seiten
© Verlag Antje Kunstmann GmbH
www.kunstmann.de
ISBN 978-3-95614-124-9



Gossec, "Münchens härtester Antiquitätenhändler", ist verzweifelt. Er hat versagt. Wieder einmal. Wut und Enttäuschung geben sich die Hand. Sein "fehlgeleitetes Gutmenschentum" hat ihn getäuscht. Dabei hatte er sich erst kürzlich für diesen Typ eingesetzt, ja sogar Prügel und eine Verhaftung durch die Polizei über sich ergehen lassen müssen.

Dabei schien ihm doch dieser Alois Womack ein verdammt lustiger Vogel zu sein. Dessen kongolesischer Vater lernte einst seine aus Landshut stammende Mutter bei einer ziemlich katholischen Veranstaltung kennen. Tief in München verwurzelt entschied sich der "schwarze Urbayer" für eine Laufbahn als Alleinunterhalter. Seine durchaus messbaren Erfolge nennt er "schwarz-weiß-blaues Entertainment".

Noch ahnt Gossec allerdings nicht, welche positiven Folgen seine Verhaftung und die ihm zugedachte Strafe bringen würden. Denn ohne die Verurteilung zu zehn Tagen gemeinnütziger Arbeit hätte Gossec niemals den Weg ins Kloster Gnadenstätt gefunden und auch niemals Pater Willibald kennengelernt ...

Kann es tatsächlich sein, dass Alois plötzlich alle Masken fallen lässt und als Mörder auf der Flucht ist? Jetzt wird Gossec womöglich nie erfahren, welche Geheimnisse Mordopfer Leia Backes zu offenbaren hatte. Zudem ist das von ihr versprochene Paket mit Unterlagen, die dunkle Machenschaften der windigen Immobilienfirma "MCB ImmoInvest" aufdecken und beweisen sollen, verschwunden ...

Max Bronski legt einen Kriminalroman vor, der im eigentlichen und gewöhnlichen Sinn gar keiner ist. Es fehlen die üblichen Komplikationen und langwierigen Ermittlungen, Irrtümer und zahlreiche falsche Fährten (immerhin gibt es eine, wenn auch sehr kurze) sowie das gewohnt-aufgeblasene Füllmaterial rund um Beziehungen und deren Geflechte.

"Der Pygmäe von Obergiesing" geht insofern andere Wege, als hier das eigentliche Verbrechen sowie der Tathergang eine untergeordnete Rolle spielen. Vielmehr stehen das Leben des Antiquitätenhändlers und des quirligen Musik-Entertainers im Mittelpunkt. Die beiden diametral Veranlagten sorgen für Lacher jenseits der hierzulande allgemein recht tief angelegten Humor-Messlatte.

Auch seine gesellschaftlichen Querschläger sind vom Feinsten, egal ob es sich nun um bösartige (aber einleuchtende) Kritik an einem gewissen Frisurentrend handelt, also jenem "Hitlerjugend-Undercut, oben wie gemeißelt und seitlich ausrasiert" oder bayrische Sprachstudien, welche die Abgründe zwischen "Artikulationsdruck" und "Sprachvermögen" auf den Punkt bringen!

Selbst Philosophisches darf nicht fehlen, denn Gossec beschäftigt sich nebenbei mit der "Spaltung der Zeit", für welche er "intensiven Schmerz" ursächlich verantwortlich hält. Wie man aber "durch ein Wurmloch in ein anderes Universum wechseln kann", muss er noch herausfinden bzw. in der entsprechenden Broschüre in seinem "Eso-Kasten" nachschlagen.
 
Ein knackiges Fazit für diesen Roman scheint mir ebenso angebracht wie schwierig zu finden. "Unverschämt witzig" zum Beispiel. Oder "geistreicher Zündstoff" vielleicht. Passen würde auch "Stadtkrimi mit gepflegt-respektlosen Breitseiten gegen Gesellschaft und Obrigkeit".

Ein intelligenter Spaß ist er aber in jedem Fall. Pralles Münchner Leben gegen den Strich gebürstet.

 

Thomas Lawall - Oktober 2016

 

 

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