Der Kreuzworträtselmord Die wahre Geschichte
von Kerstin Apel
160 Seiten © Sutton Verlag, 2013 www.suttonverlag.de ISBN 978-3-95400-142-2
Wieder im Hotel angekommen, will sie eigentlich auf kürzestem Weg in die Bar gehen, um den verdienten Feierabend entsprechend ausklingen zu lassen. Die Berliner Journalistin Shiva entscheidet sich dann aber doch, zuerst ihr Gepäck aufs Zimmer zu bringen, allerdings nicht ohne an der Rezeption noch einmal darauf zu bestehen, den von ihr auf dem Hotelparkplatz abgestellten Wagen etwas besser im Auge zu behalten. Keinesfalls möchte sie ihn am nächsten Tag wieder mit vier zerstochenen Reifen vorfinden.
Leider wird sie auf ihrem Zimmer bereits erwartet. Dass der unangekündigte Besucher nichts Gutes im Schilde führt, ist unschwer an der schwarzen Strickmütze zu erkennen, die er sich über das Gesicht gezogen hat. Shivas Drohung, die Polizei zu verständigen, kann ihn nicht im geringsten beeindrucken. Sein Anliegen ist eindeutig. Sie soll umgehend alle weiteren Recherchen über ein 30 Jahre zurückliegendes Verbrechen einstellen. Der "Kreuzworträtselmord" sei längst aufgeklärt, der Mörder habe seine Tat gestanden und seine Strafe abgesessen. Shiva denkt aber ihrerseits nicht daran, sich so einfach unter Druck setzen zu lassen und wird handgreiflich. Das hätte sie besser nicht getan, denn nun versteht ihr Angreifer gar keinen Spaß mehr. Allerdings unterläuft ihm ein folgenschwerer Fehler ...
Lutz Stein, Chefredakteur eines Boulevardmagazins, möchte eine Serie über historische Kriminalfälle herausbringen. Das "Aktuelle Blatt" ist in Gefahr. Die Auflage sank um 15 % und nun muss sofort etwas geschehen, um die Zeitung zu retten. Sämtliche Mitarbeiter, ob gerade in Urlaub oder nicht, haben sofort zur Stelle zu sein und erhalten jeweils einen großen Kriminalfall mit dem Auftrag, bisher unbekannte Details herauszufinden oder dort, wo es nötig erscheint, Fälle komplett neu aufzurollen. Die Begeisterung der Mitarbeiter hält sich in Grenzen - auch Shiva zeigte sich wenig beeindruckt von der Idee, zumal der ihr zugetragene Auftrag, sich mit dem abgeschlossenen Fall des Kreuzworträtselmordes zu beschäftigen, auf den ersten Blick völlig sinnlos erscheint. Doch in ihrem Urlaubsort, den sie für die Redaktionskonferenz kurzzeitig verlassen musste, macht sie eine Bekanntschaft, die nicht ohne Folgen bleiben sollte ...
... und genau hier beginnt der Roman an Glaubwürdigkeit zu verlieren, denn solche "Zufälle" wirken zu sehr konstruiert. Überhaupt gestaltet sich die Rahmenhandlung viel zu kurz und deshalb vorhersehbar. Die Story ist mit den gut 150 Seiten, abzüglich 12 Leerseiten und den raumfüllenden 27 Kapitelübergängen ohnehin knapp bemessen. Es bleibt neben dem sehr geradlinigen Verlauf der Geschichte kein Platz für die Charakterisierung der Figuren, die somit allesamt sehr flach wirken und ohne persönliches Profil agieren.
Allerdings muss man diesen Roman auch aus anderen Blickwinkeln sehen. Immerhin handelt es sich beim "Kreuzworträtselmord" um den spektakulärsten Mordfall in der damaligen DDR und den Kriminalfall, der die weltweit größte Auswertung von Schriftproben, die allesamt von der Bevölkerung Halle-Neustadts eingezogen wurden, nach sich zog - also um eine wahre Geschichte!
Zudem ist die Autorin insofern persönlich in den Fall involviert, als es sich bei dem Mörder tatsächlich um ihren damaligen Freund gehandelt hat, der in der Wohnung ihrer Mutter einen siebenjährigen Jungen ermordete. Den vorliegenden Roman sieht sie als Verarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse zu jener Zeit.
Genau an dieser Stelle zieht die Autorin alle Register, denn mit ihren Schilderungen, welche die Erkenntnisse von damals nicht unwesentlich erweitern, beginnt sie die erfundene Rahmenhandlung ab Seite 107 in eine schaurig-groteske Darstellung zu verwandeln, welche die tatsächlichen Ereignisse von damals in erschreckender Härte beschreiben. Nun scheint das fiktive Element einem gnadenlosen Realismus zu weichen, indem sie die tatsächlichen Begebenheiten von damals nachzeichnet, die, wie in einem Interview zu lesen ist, "größtenteils wahr" sein sollen. Weshalb sie allerdings ihr angebliches "Wissen" nicht sofort der Polizei mitteilte, bleibt ein Rätsel.
Ohne den Täter zu direkt zu charakterisieren, gelingt Kerstin Apel dennoch das entsetzliche Portrait eines wohl von jeder Gnade und Mitgefühl befreiten Menschen, dessen Motive und Beweggründe im Dunkeln bleiben. Man kann die Tragweite seiner "Persönlichkeit" nur an seinen Taten ermessen und erahnen. Die Absurdität der Dialogpassagen wird nur noch von dem "gekrönt", was er tut und nicht tut und in dieser Situation zu Ende bringen will. In diesem Zusammenhang erscheint der Umfang des Romans in gänzlich anderem Licht, denn mehr wäre nicht zu ertragen gewesen.
Der Kreuzworträtselmord 1981 in der DDR. Erschütternde Wahrheit und mutige Aufarbeitung zugleich. Wenn dem so ist... denn ganz aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft wieder.
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