Der Garten von Hermann Hesse Von der Wiederentdeckung einer verlorenen Welt
von Eva Eberwein
160 Seiten © 2015 Deutsche Verlags-Anstalt, München www.dva.de ISBN 978-3-421-04034-3
"Der Duft der Kindheit" sei schuld, schreibt Diplom-Biologin Eva Eberwein im Zusammenhang mit ihrer Entscheidung, das ehemalige Haus von Hermann Hesse zu kaufen und zu restaurieren. Ihr Entschluss sei schon kurz nach dem Betreten des maroden Gebäudes, "zwischen Haustür und Windfang", getroffen worden.
Im Rheinland wohnend verbrachte sie als Kind die Sommerferien bei ihren Tanten in Gaienhofen. Das Haus, welches Hesse dort 1907 gebaut hatte, war ihr bekannt, doch als Heranwachsende verlor sie es aus den Augen, nicht zuletzt auch aus beruflichen Gründen. Immer wieder jedoch zog es sie nach Gaienhofen, auch wenn die jetzt im Haus lebende Malerwitwe Leonore Waentig, bei welcher sie mit ihrer Mutter in den 1970er Jahren häufig zu Gast waren, sie bei ihren Spaziergängen gar nicht mehr erkannte.
Nach dem Tod von Frau Waentig stand das Haus leer und war zunehmendem Verfall ausgesetzt, bis es schließlich 2003 abgerissen werden sollte. Jetzt erkannte Eva Eberwein den Ernst der Lage und kaufte kurzentschlossen Grund und Haus. Ihre beruflichen Verpflichtungen kündigte sie auf, um sich fortan, gemeinsam mit ihrem Mann, der Renovierung des Hauses und Wiederherstellung des Gartens zu widmen.
Als klassische Hesse-Leserin und -Verehrerin sieht sich die Autorin nicht. Der Funke sprang erst nach jahrelangem Studium seiner Aufzeichnungen und Briefe über. Fasziniert von seiner feinfühligen Art und Weise, die Natur zu beobachten und zu beschreiben, setzte sie sich somit selbst "auf die Spur des Gärtners Hesse". Damals war ihr Wissen rund um Nutzgärten und deren Bewirtschaftung "Mittelmaß". Für Eva Eberwein aber kein Hinderungsgrund, sich mit der Materie auseinanderzusetzen. Schließlich war Hesse "sogar Gartenanfänger".
Nach jahrzehntelangem und stetigem Verfall des Gartens ist es selbstverständlich unmöglich, den Originalzustand wiederherzustellen, was die Autorin ohne Umschweife zugibt, indem sie bestätigt, dass es "längst nicht mehr Hesses Garten ist". Dennoch handle sie sicher in seinem Geiste, sich so weit wie möglich dem Original zu nähern und "die Essenz von Hesses Garten wiederaufleben und sichtbar werden zu lassen".
Eine Hilfe waren ihr zahllose Aufzeichnungen und ein Plan aus Hesses Feder, den sie nach einer abenteuerlichen Suche fand. Nicht zuletzt auch eine Art Seelenverwandtschaft, die sich weniger aus Bewunderung seines literarischen Schaffens ergab, sondern aus seiner Verehrung der Natur gegenüber und allen damit verbundenen Sinneseindrücken, die er so nachhaltig zu formulieren imstande war. Diese Faszination teilt Eva Eberwein bedingungslos, und sie war und ist ihre Motivation sowie der Motor für ihr mutiges Projekt und ihre Lebensaufgabe. Jener Gleichklang, die vollkommene Übereinstimmung und ihr Glück über das Geleistete ist auf jeder Seite und in jeder Zeile dieses Buches deutlich zu spüren.
Diese außergewöhnliche Leseerfahrung wird von Ferdinand Graf von Luckners eindrucksvollen Fotografien kongenial unterstrichen. Somit vermittelt das Werk mehr als eine Ahnung vom Geist jenes Mannes, der einst dieses Haus baute und diesen Garten anlegte.
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