Literatur

Der Freund

von Kasper Behm


314 Seiten
© schruf & stipetic GbR 2025
www.schruf-stipetic.de
ISBN 978-3-944359-83-0



Es beginnt sehr dramatisch, ganz offenbar mit einem Rückblick auf vergangene Ereignisse. Bereits auf der dritten Seite müssen sich Leserinnen und Leser dann schon auf einen gewaltigen Zeitsprung einstellen.

Dreißig Jahre "danach" treffen sich zwei Menschen wieder, die einst ein gemeinsames Kapitel der Geschichte schrieben. Den Einstieg gestaltet Kasper Behm nicht unbedingt leicht verdaulich, doch die Neugier treibt einen voran sowie die Hoffnung, dass sich der Nebel, der über allem liegt, bald lichten möge.

Eine dritte Zeitebene verkompliziert die Lektüre, gestaltet sie dadurch aber noch interessanter. Hier baut sich eine Spannung auf, die auf ganz leisen Sohlen daherkommt!

Der Klappentext klingt fast wie die Inhaltsangabe eines Kriminalromans. Allerdings nur fast, da ein mystisch klingendes Element mitschwingt. In der Hauptsache soll es um Freundschaft gehen, deren Bestand und weiteren Verlauf.

Kasper Behm geht wesentlich weiter, denn auf sehr faszinierende Weise schildert er unter anderem das Aufkeimen des Begriffs Freiheit aus kindlicher Sicht. Wo und wie beginnt sich Freiheit als Wunschdenken zu manifestieren, oder wie definiere ich sie überhaupt?

Der zehnjährige Peter Klein "Peterchen" ist nach seiner Flucht aus einem Waisenhaus für Jungen in Sankt Stylian in einem Freizeitdorf gelandet, versteckt sich dort und lernt den gleichaltrigen Gottfried kennen.

"Ich bleibe hier oben, bis ich so frei bin wie ein Vogel."

Gottfried bringt ihn auf den Boden der Tatsachen zurück, wobei sich der Dialog der Kinder herzerwärmend gestaltet. Der eine will höher und höher fliegen, am besten ganz weit weg und der andere lebt immer am gleichen Ort. Sogar

"Mama und Papa wohnten hier, schon bevor ich geboren wurde..."

Neugierig macht auch die Gestaltung von Nebenfiguren wie Pater Herz, der ein ganz spezielles Hobby hat. Er präpariert Vögel und gibt ihnen Namen. Manche kommen Peterchen bekannt vor.

"Immer wenn einer geht, präpariere ich einen Vogel."

Peterchen versteht es nicht so recht und kann diese Arbeit und das Resultat nicht zuordnen. In den Augen der toten Vögel glaubt er plötzlich Dinge zu sehen, die ihm Angst machen. Das kindliche Gemüt sieht es als Warnung.

Aus verschachtelten Rückblenden und der Gegenwart zaubert der Autor eine Geschichte rund um ein traumatisches Kindheitserlebnis, welche sich hartnäckigen Erklärungsversuchen zunächst sehr geschickt entzieht.

Ein Fragezeichen jagt das andere und mitunter übertreibt es der Autor mit den verschiedenen Zeitebenen, indem er deren Verschränkung kompliziert und vage formuliert. Auch zahlreiche Wiederholungen schwächen die Leselaune merklich, wodurch auch der Spannungsbogen etwas kränkelt.

Jedenfalls bis sich das Blatt wendet. Plötzlich und mit nur einem Satz findet das Verwirrspiel ein Ende und der Nebel lichtet sich. Das Faszinierende daran ist, dass nun weitere Höhepunkte folgen, die absolut nicht vorherzusehen waren. Erst jetzt versteht man die eine oder andere Andeutung.

"Der Freund" ist eine absolut ungewöhnliche Geschichte um Freundschaft, Selbstfindung, Schuld, Unschuld, Mythen der Schwäbischen Alb und Vergebung, sowie Spurenelementen eines Kriminalromans.

Wer bei einem Spaziergang Krähen begegnet, wird sie nach dieser Lektüre mit völlig anderen Augen sehen!

 

Thomas Lawall - Dezember 2025

 

 

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