Literatur

Denen zum Trost, die sich in ihrer Gegenwart
nicht finden können


von Ragnar Helgi Ólafsson


144 Seiten
© der Originaltexte 2015 by Ragnar Helgi Ólafsson
© der deutschsprachigen Ausgabe 2017 by Elif Verlag, Nettetal
www.elifverlag.de
ISBN 978-3-946989-02-8



Ja, das ist gut, weil es so unkonventionell ist. Formale Gesetzmäßigkeiten sind hier nicht von Belang und so einiges andere auch. Eigentlich auch die Frage, ob jene, die sich in ihrer Gegenwart nicht finden können, tatsächlich Trost finden werden.

Trotzdem stellt sich die Frage nun mal und man macht sich neugierig auf den Weg, in Erwartung einer zumindest spannenden Suche. Allerdings spannend insofern, als man schon nach den ersten Zeilen den Grund für sein vordergründiges Anliegen komplett vergessen hat:

"Weder außen noch innen denken
Nicht denken"

"Fragmente" sind es nur und doch lenken sie aus gewohnten Strukturen, wobei sie nicht ab- sondern umlenken. In offene und ungedachte Weiten, die man gerade erst entdeckt hat. Und jetzt, genau jetzt entsteht eine unbändige Neugier. Sogar die Zukunft wird interessant und vielleicht jene Abende, die, wegen der "Zeitreisen", wie im Titelgedicht auf Seite 11 glänzend formuliert, ganz besondere sein werden.

Traurigkeit bekommt eine andere Dimension. Man übersieht sie einfach und entdeckt dabei "Galaxien in realistischer Größe". Zumindest wenn man begriffen hat, was Tränen überhaupt sind. Nachzulesen in "Das Einsiedlerprinzip".

Ragnar Helgi Ólafssons Wortwahl entzieht sich allen Definitionsmöglichkeiten. Was er mit Sprache anzurichten vermag, sind meisterhafte Kreationen - Wortriesen. Listig ist er, die einfache Sprache ist nur vorgetäuscht. Allzu leicht liest man fast darüber hinweg, bis man erstaunt stehenbleibt. Halt. Stop. Kommando zurück. Das mit "Fenster und Spiegel" muss jetzt noch einmal gelesen werden. Und dann sofort noch einmal.

Wobei er selbst gerne definiert. Einen "inneren Raum" zum Beispiel. Aber spätestens mit jenen Zeilen, die sich zunächst mit dem "inneren Raum des Kuchens" beschäftigen, wird klar, dass der Autor mitunter dem gebotenen Ernst der Sache vorsätzlich aus dem Weg geht. In aller Seriosität, versteht sich.

Wenn man Ragnar Helgi Ólafsson schon nicht irgendwie einordnen kann, wären dann vielleicht Vergleiche mit den Kollegen erlaubt oder überhaupt möglich? Klaus Merz vielleicht, denn seine Originalität und Präzision kommen dem Rezensenten wie eine, wenn auch weit entfernte, Seelenverwandtschaft vor.

Das jetzt weiter auszuführen werde ich mich aber hüten. Schließlich steht so etwas in keiner "Arbeitsbeschreibung". Am Ende kriege ich noch Probleme mit der "Wirklichkeit". Die ist eh nicht so gut drauf. Neulich hat sie sich gar über "die Eingriffe des Dichters in ihre Existenz" beschwert. Ein Skandal!

Bescheidenheit ist eine Tugend, sagt man. Ragnar Helgi Ólafsson macht nicht viel Worte um seine Worte. Höchstens:

"Die Wörter sind sich selber Lohn genug."

Zudem besagen die "Finger der Venus" etwas über die Notwendigkeit von Gedichten ...

Und der Rezensent sagt was? Pflichtlektüre für Individualpoeten. Und für alle anderen. Auch.

 

Thomas Lawall - Dezember 2017

 

 

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