Das weiße Eis wird durch den schwarzen Mann zur grünen Hölle Heitere, zynische bis böse Kurzgeschichten aus dem Alltag
von Andreas Mlynek
E-Book 164 Seiten 2014 © Andreas Mlynek ISBN 978-3-8442-8918-3
Das hat uns gerade noch gefehlt: Der Mlynek hat ein E-Book rausgehauen. Obwohl, das war eigentlich zu erwarten, denn wie Insider wissen, gab er in einem gar nicht mal so unbekannten Internetforum bereits seit längerer Zeit die eine oder andere Story zum Besten. Was haben wir gelacht! Dieser Mensch tappt von einer Katastrophe in die andere und erlebt einen Alltag, der sich so ziemlich in allen Punkten von dem eines auch nur halbwegs normalen Erdenbewohner gravierend zu unterscheiden scheint.
Hierbei beschränkt er sich keineswegs auf die Schilderung seiner skurilen Alltagsbeobachtungen, sondern er gewährt uns auch einen tiefen Einblick in seine Gedanken- und Gefühlswelt, ja sogar in sein chaotisches Privatleben (die armen Kinder!). Mit seiner "Zugetrauten" versteht er sich trotz aller Widrigkeiten auch nach 20 Ehejahren noch bestens, wenn auch die eine oder andere Meinungsverschiedenheit inzwischen nicht ohne Hilfsmittel, wie beispielsweise einem Baseballschläger oder einer gemeinen Dachlatte, ausgetragen werden muss. Meinungsverschiedenheiten gibt es halt immer wieder, insbesondere wenn ihn seine Frau mit einer neuen Hose beglücken möchte, die er sich nicht einmal als "Grabbeilage" wünschen würde!
Zuerst dachte ich noch, was das denn für ein bekloppter Buchtitel ist. Meine mir Zugemutete sah es anders, denn sie konnte den Buchtitel nicht nur mühelos dechiffrieren, sondern die Zeilen sogar in einen Gesamtzusammenhang stellen! Ich habe zum tieferen Verständnis erst die Geschichte auf Seite 41 ("Helfen Sie nicht!!!") lesen müssen.
Überhaupt gibt es viel zu lernen in diesem Buch. Nein, nicht von den (sicherlich) absichtlich eingestreuten Rechtschreibfehlern, sondern über den Bildungsgrad von Floristinnen zum Beispiel. Die unverschämten Biester kürzen die eh überteuerte Blumenware auch noch ordentlich ein, ohne zu verraten, warum sie dies tun und warum sie auch noch die schräge Variante nutzen. Zum Glück ist der Autor aber nicht auf den Kopf gefallen und kann sich als technisch Hochbegabter umgehend einen Reim darauf machen. "Das Wasser hat an der kürzeren Seite den kürzeren Weg und kommt frischer oben an, während auf der längeren Seite das Wasser länger braucht und sich unterwegs um die eine oder andere Zelle im Halm intensiver kümmern kann."
Man entdeckt sogar Gemeinsamkeiten: Olympische Spiele schaue ich mir ebenfalls nicht mehr an, nachdem ich einmal auf bildgewaltige Ankündigungen prompt reagierte, schließlich aber genauso enttäuscht wurde, wie der Autor auch. "200m Brust der Frauen" war der totale Reinfall. Mit einer Tüte Chips und einer Flasche Bier in Händen kam schnell die Ernüchterung: "Da war nicht viel zu sehen von 200m Brüsten." Selbst beim Bodenturnen gab es nur verzweifelte Ernüchterung. In sämtlichen Disziplinen "standen nur Steroid-Bretter am Start".
Praktische Tipps für die Bewältigung schwieriger Alltagsthemen sucht man ebenfalls nicht vergebens. Welcher Autofahrer ärgert sich nicht über horrende Preise in der Waschstraße! Auch in SB-Waschstationen selbst Hand anzulegen ist oft nicht das Gelbe vom Ei. Eine phänomenale Idee scheint mir deshalb zu sein, "einen Wasserablauf in die Garagenwand zu bohren", das Auto zu parken und das Garagentor zu schließen ...
Wie schon erwähnt, ist sich Andreas Mlynek nicht zu fein, auch in persönlichen Dingen ordentlich die Hosen runterzulassen. Er möchte beispielsweise alles sein, bloß keine Frau. Schließlich müssen die dauernd zur "Mammagrafie" und mit einem "vollbehaarten, nach Alkohol stinkenden Glatzkopf mit Wampe ins Bett steigen".
Reiseberichte gibt es ebenfalls entdecken, und hier geht der Autor ins Detail. In "Hessen" kritisiert er Bordsteine und fehlende Haltebuchten, und in "Harz West" faszinieren ihn reich verzierte Haustüren in Clausthal-Zellerfeld. Die letzten Fragen unserer schäbigen Existenz interessieren ihn ebenso. Beispielsweise wieso die Amerikaner nur mit wenigen Kleidergrößen wie M, L, XL auskommen. Ob "Ami-Kinder in Förmchen heranreifen?" Interessant ist auch der Lösungsansatz im Zusammenhang mit Umkleidekabinen und kleinen Chinesen, zu lesen in "Herrenbesuch bei C&A".
Tja, das Leben hat seine Tücken. Wer soll das aushalten und bis zum bitteren Ende durchstehen können? Es ist schwierig, sich in einer immer komplizierteren Welt auszukennen und zurechtzufinden. Wer einen kompetenten Ratgeber und eine echte Lebenshilfe sucht, wird mit diesem Buch (oder sagt man Datei - das hier ist meine erste E-Book-Rezi) nicht glücklich und sollte lieber die diesbezüglichen Bestsellerlisten abkauen.
Andreas Mlynek ist ein Querdenker und er vermag seine feine Beobachtungsgabe in blanken Zynismus zu transformieren. Wer die Realität so leben und erleben möchte wie der Autor, wird sich sein schnödes Leben nicht unwesentlich komplizierter gestalten. Aber wesentlich lustiger!
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